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Blutspuren 4

ICH

Ich stoh nid grad uf und schreie, ich
Bi ender de wo seid, es isch mer glich
Ich wart zerscht emol und säg, emol luege
Gang meischtens nid so schnell über Brugge
Mer muss mir immer e Schritt entgege cho
Lueg mi nid so überrascht a, ich bi jo do
Ich bi doch nid dä, wo Du in mir wilsch gseh
Ich bin es nie gsi und erscht recht nümme meh
Denk nid, ich bi mi Weg allei gange dur jedi Wand
Stolz und sicher mit Herz und mit viel Verstand
Los doch nid uf die, wo irgend so öpis verzähle
Wil ich ha doch müsse und ganz bestimmt nid welle
Hesch noh nie ghört die viele andere Gschichte
Denn los emol genau zu, wenn sie sie brichte
Wenn ich mini Nächt schlaflos verbracht ha
Und wie mängisch ich scho grossi Angst ha gha
Vielliecht tun ich wirklich selbstsicher erschiene
Aber es verbirgt sich Unsicherheit hinter minere Miene

Hör äntli uf mi so überrascht azluege
Ich gang nid freiwillig über die Brugge
Ich bi au ganz bestimmt nid wieter obe
Do derfür bin ich scho viel z'viel umgfloge
Und mini blutige Händ chöme nid vom Kampf
Sie sind doch nume vo dem viele Chrampf
Lueg mi emol ha, ohne mini Vergangeheit
So wieni jetzt do stoh, mit minere Feigheit
Denn gsesch, ich bin nume ganz schüch und chli
Glaub mir, ich bruch doch au öber so wie Di
Wer hat Dir erzählt, dass ich alles verchraft?
Lueg mi a, denn gsesch, es het mi scho gschaft
Wil ich ha scho lang Kopfweh vo dere dicke Wand
Drum bruch ich doch Dini schwachi und chlini Hand
Wil Du doch so viel meh Kraft und Mut als ich hesch
Au wenn Du mini Träne vielliecht niemols gsesch
Sind sie trotzdem immer irgendwo unsichtbar do
Us dem Grund musch Du mir e Schritt entgege cho
Denn im Grund, da bin ich doch unglaublich feig
Au wenn ich es meistens überhaupt nid zeig

Mini Gschicht, mini Vergangenheit macht mi nid zum Held
Ich weiss nid, wer Dir immer noh sone Blödsinn verzählt
Bi doch mängisch so hilflos, so schutzlos und so nutzlos
Luss mi doch ausbrülle in Diem warme und weiche Schoss
Inhaltsverzeichnis

ALTE SCHUHE

Sie liessen einem zu keinem Zeitpunkt allein
Marschierten gemeinsam über Stock und Stein
Man erlebte zusammen so manches Abenteuer
Die alten Schuhe wurden einem lieb und teuer
Aber sie wurden abgenützt und ausgelaufen
Deshalb wird es Zeit, ein paar Neue zu kaufen
Etwas zögerlich, weil man tut es gar nicht gern
Aber die Neuen glänzen und sind so Top modern
Die Alten, sie können die Konkurrenz nicht scheuen
Weil man die Erinnerung nicht kann wegscheuchen
Doch alte Schuhe bekommen leider gar keinen Dank
Denn man braucht den Platz im engen Schuhschrank
Und man braucht sie ja schliesslich auch nicht mehr
Die gemeinsame Vergangenheit ist viel zu lange her
Als die alten Schuhe dann so aus dem Müll guckten
Und ganz heimlich eine kleine Träne verschluckten
Begriffen sie schnell, dass jede Erinnerung zerbricht
Dann warf man ihn auch schon weg, den Kehricht
So dass die Schuhe ins vergessene Land gelangen
So sind sie den Weg des Unvermeidlichen gegangen

Doch dass neue Schuhe nicht nur entzücken
Merkt man oftmals erst, wenn sie einen drücken
Schritte sind nicht mehr so einfach, wie sie waren
Weil die Neuen zu sehr in ihrer Form verharren
Und so bleiben sie weiter sauber und so blank
Weil man stellt sie zurück in den Schuhschrank
Jede dumme Ausrede kommt einem nun gelegen
Und man geht einfach weiter auf getrennten Wegen

Plötzlich erinnert man, sich an die alten Schuhe
Man öffnet auf der Suche nach ihnen jede Truhe
Vergessen bleibt, wo man sie das letzte Mal sah
Wo man auch nachschaut, sie sind nicht mehr da
Sie sind nicht dort, wo sie sich einst noch befanden
Dabei sind sie einem doch wirklich gut gestanden
Und sicher haben sie einen überall hingetragen
Führten einen völlig unbeirrbar durch alle Lagen
Egal ob Sonnenschein, Hagel oder auch Gewitter
Die Erinnerung daran schmeckt nun plötzlich bitter

Die so wunderbaren alten Schuhe liessen einem ganz allein
Und so geht man für kurze Zeit barfuss über Stock und Stein
Weil man hat die Vergangenheit schon zu weit zurückgelassen
Doch keine Sorgen auch die neuen Schuhe werden sich anpassen
Inhaltsverzeichnis

WEHENDE FAHNEN

Dasselbe Datum, dieselbe Sonne wie an jenem Tag
In mir eine Erinnerung, welche ich so ungern mag
"Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Waren Deine Worte, ich lernte, sie zu verstehen
Nun - nun ist Dein Grab längst schon verschlossen
Und meine Tränen, sie sind auch schon verflossen
Viel zu lange bist Du nun leider schon tot
Ich blicke auf die Blumen im prächtigen Rot
Es tut mir auch nicht mehr so schrecklich weh
Viel zu oft lag auf Deinem Grab schon Schnee
Warum hast Du uns denn nur so zurückgelassen?
Ich spüre, dass meine Hände in die Leere fassen
"Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Ich wollte Dich doch niemals so sterben sehen
Habe Deinen Worten vertraut, sie klangen so gut
Du hast mir aufstehen geholfen und gabst mir Mut
Und vielleicht werde ich Dir deshalb nie verzeihen
Hattest niemanden, der Dir etwas Kraft konnte leihen
Deine Fahne flattert nicht, sie hängt schlaff im Wind
Ich war fassungslos, ratlos, einfach ein grosses Kind

Ich weiss noch, als sie mich zu sich bestellten
Und mir vorsichtig und schonend davon erzählten
Da waren keine Tränen, da war nichts - nichts mehr
Heute ist das alles schon so unendlich lange her
Es ist so plötzlich und so unerwartet geschehen
Wahrscheinlich hatte es niemand vorausgesehen
Wenige Tage zuvor hast Du noch Sprüche gemacht
Und uns alle zusammen, damit zum Lachen gebracht
Wir waren alle so sehr neidisch auf Deine Lebenslust
Nein, das ist nicht wahr, irgendwie habe ich es gewusst
Wenn wir Probleme hatten, so schützte uns Deine Hand
Du warst immer ganz alleine, weil Du hattest niemand
Weil auf Deine stummen Zeichen haben wir nicht geschaut
Denn viel zu sehr haben wir auf Deine Stärke vertraut
Dass dies alles aber auch an Deinen Kräften zerrte
Begriffen wir erst nach Deinem Sprung ins Leere

Bist Du dort, wo Du hin wolltest, auch angekommen?
Oder hast Du alle die Berge vergebens erklommen?
"Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Nur wir blieben fassungslos und alleine stehen
Oft schon habe ich bei mir darüber nachgedacht
Was hast Du - was habe ich bloss falsch gemacht?
Ich weiss nicht, ob ich Dir jemals werde verzeihen
Hatte niemand etwas Kraft, um sie Dir zu leihen?

Dies sind Gedanken, die mir durch den Kopf streifen
Ich habe das Gefühl, ich brauche, mich nur zu kneifen
Um von diesen Bildern und Erinnerungen zu erwachen
Um alles noch einmal und vielleicht besser zu machen
Doch Dein Grabstein ist wirklich und darauf sollte stehen
"Ich kämpfte, versuchte, mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Du warst so stark, aber die Erinnerungen, sie verblassen
Warum nur hast Du uns alle alleine zurückgelassen?

In den Jahren, welche dann nach Deinem Tod sind gekommen
Habe ich mehr schlecht als recht Deinen Platz eingenommen
Ich lauschte den zahlreichen Geschichten mit ihren Problemen
Die so gar nichts anderes tun, als das Herz und die Seele lähmen
Tröstete und redete, redete und tröstete sprach von Sonnenstrahlen
Bis die Probleme scheinbar verschwanden zusammen mit ihren Qualen

"Kämpft, um mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Wie schwer das ist, sie werden es noch verstehen
Aber dies zu erzählen, habe ich niemals gewagt
Nein, ich habe ihnen immer nur das Gute gesagt
Ach, könntest Du mich hier nur predigen sehen
Und wie ich lernte, Deine Worte zu verstehen
Ich glaube, Du wärst sicher sehr stolz auf mich
Aber ein fahler Beigeschmack bleibt unweigerlich
Weil ich fürchte, sie werden einst mein Grab aufsuchen
Und sie werden verstehen, und mich deshalb verfluchen
"Kämpfen und versuchen mit wehenden Fahnen unterzugehen"
So wie ich jetzt, werden sie mal vor meinem Grab stehen
Und fragen: "Warum erzähltest Du nichts von dem Frust?
Hast Du davon denn wirklich überhaupt nichts gewusst?“
Aber sie werden auf ihre Frage keine Antwort bekommen
Denn sie haben schon längst meinen Platz eingenommen
Mit denselben Geschichten werden sie in die Welt gehen
Weil auch sie lernten, in der Zwischenzeit zu verstehen
Der Kreis, er hat sich doch schon längst geschlossen
So wie schon so oft in den Jahren, die sind verflossen

Nur ein hilfloser Mensch bleibt hier zurück
Der das Leben kennenlernte Stück für Stück
Und sich davor fürchtet, die Anderen anzulügen
Seltsam, dass Verständnis Schmerz kann zufügen
"Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen"
Vielleicht werde ich das auch immer so sehen
Hängen die Fahnen auch schon schlaff am Mast
Wann kommt die Zeit für die letzte grosse Rast

Es wird schon dunkel - es wird Zeit, um zu gehen
Man kann nicht einmal mehr meine Tränen sehen
Inhaltsverzeichnis

EINE TRÄNE

Blaue Augen, halb geschlossen, so als ob sie einfach dösen
Als sich eine Träne aus dem Augenwinkel beginnt zu lösen
Niemand weiss so ganz genau, warum sie eigentlich floss?
Aber ganz langsam und völlig gemächlich zieht sie los
Talwärts dem schrecklich, schmalen Pfad entlang
Der sich hier dem grossen Gebirge entlang schlang
Dieses Gebirge, das jeder nur einfach Nase nennt
Und die Rechte von der linken Gesichtshälfte trennt
Die kleine Träne geboren aus einem unbekannten Frust
Zog weiter, wohin, dies hat sie selbst nicht gewusst
Unaufhaltsam zog sie immer weiter, einsam und allein
Und in ihr spiegelte sich der grelle Sonnenschein
Das Gebirge, es ging langsam aber sicher zu Ende
Aber noch immer nahm der schmale Pfad keine Wende
Im Gegenteil, da waren viele feine Haare im Weg
Was haben diese wohl für einen geheimen Zweck?
Kreuz und quer hat sich nun der Weg gewunden
Und die Träne hat grosse Müdigkeit empfunden
Sie begann sich zu fragen: "Warum bin ich hier?"
Doch das Schicksal hatte kein Mitleid mit ihr
Warum und Wieso, die Träne wurde nicht gescheiter
Denn sie musste unaufhaltsam weiter - immer weiter
Weiter musste sie sich durch die Barthaare zwängen
Und blieb dann schliesslich am Mundwinkel hängen
Rechts oder links, wer weiss es schon so genau
Die Lippen waren trocken und auch ziemlich rau
Ein wirklich sehr angenehmer Platz so warm und rot
Doch dort fand die Träne schliesslich auch ihren Tod
Die Sonne mit ihrer Glut hat ihr die Kraft genommen
Und so ist die kleine Träne um ihr Leben gekommen
Zurück blieb nur noch eine klebrige und salzige Spur
Aber die wurde weggewischt von der Zunge, die darüber fuhr

Dies ist die Geschichte von der Träne, die nie herausfand
Wieso sie eigentlich in dieser Welt da draussen bestand
Unerkannt lebte und starb sie auch - im hellen Sonnenlicht
Was bleibt ist nur noch ein müdes und trauriges Gesicht
Doch auch das bleibt wahrscheinlich ewiglich unerkannt
Genau gleich wie dieser Kummer, der einst bestand
Und genau wie die Träne im Sonnenlicht verschwand
So bleibt der Schmerz verborgen und ewiglich ungenannt

Und so endet die Geschichte, welche doch eben erst begann
Aber trotzdem - nicht weit entfernt - ist der nächste Anfang
Inhaltsverzeichnis

GLITZERNDE AUGEN

Es ist bereits zu Ende, was doch eben erst noch am Anfang war
Da waren Deine glitzernden Augen und Dein langes blondes Haar
Und beinahe ein Beschnuppern, ein sehr langsames Herantasten
Wir liessen uns Zeit, denn wir hatten, überhaupt nichts zu hasten
Doch bald standen diese Gefühle irgendwo dazwischen im Raum
Was Du mir dann erzähltest, erschien mir wie ein böser Alptraum
Denn da waren Drogen und da waren auch Schläge und Gewalt
Und so etwas liess mich in der Vergangenheit noch niemals kalt
Ich weiss nicht, warum Du mir Deine Geschichten erzähltest?
Warum Du mich zum Adressaten von Deinem Vertrauen wähltest?
Irgendwie hoffte ich dabei wahrscheinlich - es ist gar nicht wahr
Doch da war Deine Geschichte und Dein langes, blondes Haar
Ja, ich wollte es - aber ich konnte doch nicht einfach so gehen
Ich werde diese Geschichte wohl niemals vollumfänglich verstehen
Aber eigentlich war die Lösung gar nicht so furchtbar schwer
Nach nur vier Wochen - keine Gewalt - keine Drogen mehr
Weiss nicht wie, aber ich habe die richtigen Worte gefunden
Nur diese Gefühle im leeren Raum sind nie verschwunden
Alles richtig gemacht und doch ein so schlechtes Gewissen
Denn ich habe Dich gewaltsam aus Deiner Gegenwart gerissen
Deine Freunde, sie gehören nun nicht mehr zu Deinem Leben
Und trotzdem habe ich Dir, gar keine Alternativen zu geben
Sicher da war noch mehr, da war zum Beispiel mein Kuss
Aber wirst Du neue Lebensinhalte finden bis zum Schluss?
Wenn nicht, so muss ich sagen, mein Weg, er hat verloren
Und die Selbstvorwürfe in mir sind schon längst geboren
Weil ich mit Dir geschlafen habe - ich wollte es zwar nicht
Aber da waren Deine glitzernden Augen und Dein Gesicht
Es ist sicher nicht so, dass ich etwas bereue - es ist wahr
Doch ich weiss, dass es falsch war - ich bin doch ein Narr
Jeder der die Geschichte kennt, schaut mich bewundernd an
Keine Drogen mehr in nur vier Wochen, ob dies wahr sein kann?
Ich gehöre ja auch selbst zu denen, die das niemals verstehen
Doch Du und ich, wir bewiesen, mit viel Glück kann es gehen
Aber war es richtig? Habe ich Dir nicht doch mehr genommen
Als Du von mir insgesamt für Deine Zukunft hast bekommen
Ich zerstörte Dein Leben und habe Dir, kein anderes zu bieten
Hoffe doch sehr Deine Zukunft besteht nicht nur aus Nieten
Damit Du keinen Grund hast, zum alten Leben zurückzukehren
Doch ich fürchte sehr, Du wirst Dich eines Tages beschweren

Du weisst und verstehst es sogar, jetzt muss ich gehen
Trotzdem bereust Du nichts - ich kann es nicht verstehen
Vier Wochen sind vorbei - was doch erst noch am Anfang war
Da waren Deine glitzernden Augen, Dein langes, blondes Haar
Inhaltsverzeichnis

LEERE GLÄSER

Zwischen den dreckigen Teller kann man sie deutlich sehen
Diese Gläser, welche überall noch auf den Tischen stehen
Ich wusste nicht, wie viel mir einst an ihnen ist gelegen
Die bläulich Gefärbten, dies sind wohl meine Kollegen
Dann sind die rosaroten Gläser alle meine Kolleginnen
Überrascht stelle ich fest, es ist gar nichts mehr drinnen
An einigen davon klebt noch etwas rötlicher Lippenstift
Es ist schon merkwürdig, wie schwer es mich noch trifft
Denn alle diese Gläser sind schon längst ausgetrunken
Und die grelle Sonne ist hinter dem Horizont versunken
Ich fühle, wie mein Herz vor Aufregung beginnt zu klopfen
Auf dem Tisch liegen noch kaum sichtbare Flüssigkeitstropfen
Sie wurden wohl beim Einschenken unaufachtsam verschüttet
Von den Geheimnissen, welche einst so gut wurden behütet
Wie alles geschah, ich weiss es heute selbst nicht mehr
Denn ich sehe nur, die Gefässe vor mir, sie sind nun leer
Stehen sie auch noch nebeneinander in Reih und Glied
Genau so wie früher, trotzdem gibt es einen Unterschied
Es fehlt hier nämlich an einem erfüllenden Inhalt
Aber so ist der unaufhaltsame Lauf der Zeit halt
Es ist nicht leicht, dies alles geschehen zu lassen
Und ich versuche immer wieder, danach zu fassen
Aber es scheint, meinen Finger ständig zu entgleiten
Längst vorbei sind die alten, gemeinsamen Zeiten
Ich weiss auch nicht, was ich dabei heute soll fühlen
Versuchte doch, die Gläser wieder neu aufzufüllen
Aber wenn zu dieser Tat der bedeutsame Inhalt fehlt
Hat es keinen Wert, dass man sich noch weiter quält
Man sollte dann einfach seinen eigenen Weg gehen
Vielleicht wird man es später einmal verstehen
Aber heute ist es noch überhaupt nicht leicht
Und man ist nicht sicher, ob die Kraft ausreicht
Aber eines Tages wird man nichts mehr vermissen
Man wird sich treffen, ohne dann noch zu wissen
Was früher einmal in diesen bunten Gläsern war
Auch die Erinnerungen sind dann nicht mehr klar

Warum hilft mir keiner, die Gläser wieder aufzufüllen?
Ist hier niemand mehr, so wie ich, voll von Gefühlen?
Musste alles, was war, so furchtbar schnell erkalten
Ich wollte doch wirklich noch etwas davon festhalten
Leider ist es mir trotz aller Anstrengung nicht gelungen
Dieses Labyrinth ist schon lange, viel zu verschlungen

Ich konnte den Ausgang nicht mehr finden
Wenn zu viele Gemeinsamkeiten verschwinden
Inhaltsverzeichnis

DIE GROSSE FREIHEIT

Freiheit - dieses Wort hat wirklich einen ganz wunderbaren Klang
Und trotzdem danach suchen die Meisten ihr ganzes Leben lang
Die Wenigen, die sie fanden, werden sich bestimmt nie beklagen
Ich hörte zwar so manchen furchtbar klugen Kopf schon sagen
Die wirkliche Freiheit, sie steckt doch in jedem Einzelnen drin
Nämlich in seiner Seele, in seinem Herz und in seinem Hirn
Denn die Gedanken- und die Redefreiheit ist das höchste Gut
Welches in jedem einzelnen Menschen ganz persönlich ruht
Ich gebe es auch zu, diese Worte tönen wirklich wunderbar
Aber ganz ehrlich gesagt, ist es denn wirklich auch wahr?
Weil wo bleiben alle die Menschen, die nicht dazu gehören
Und das schöne Idealbild der Allgemeinheit doch nur stören
Die Menschen deren Körper nicht gehorcht den eigenen Befehlen
Sie haben doch, in dieser Gesellschaft nicht sehr viel zu wählen
Dabei wollen sie doch nicht viel, sie wären nur gerne normal
Denn davon träumen sie - normal zu sein - doch nur ein Mal
Und für diesen Traum würden sie wahrscheinlich alles geben
Bestimmt auch einige Jahre von ihrem sehr kostbaren Leben
Sicher, auch sie können besitzen ihre persönlichen Gedanken
Aber was nützen diese, gibt es daneben so enge Schranken
Ihre Freiheit bedeutet etwas anderes, sie suchen sie schon lang
Und vielleicht hat für sie das Wort noch einen süsseren Klang
Vielleicht weil sich ihr persönlicher Traum niemals wird erfüllen
Denn es ist doch sehr hart, diese Aussichtslosigkeit zu fühlen
Doch die meisten Träume und Wünsche leben lange und auch still
Aber was für eine Freiheit, wenn die Hand nicht tut, was das Hirn will
Diese Happyends und Wunder, die das Fernsehen so oft verspricht
Es soll nur niemand behaupten, es gibt sie hier in unseren Leben nicht
Weil sie längst genug haben vom Auslachen und von ihrer Hilflosigkeit
Sie träumen doch von einem so ganz anderen Leben und der Freiheit
Und diese Menschen wollen aus ihren Träumen nicht mehr erwachen
Wissen sie auch ganz genau, dass sie sich nur etwas vormachen
Doch aus welchen anderen Quellen, sollen sie ihre Kraft nehmen
Wenn ihre persönlichen Körpergebrechen ihre Freiheiten lähmen
Und ihre Wahrheiten doch nur die geheime innere Stimme spricht
Aber darüber reden die klugen Köpfe in der Wissenschaft nicht
Weil sie doch nicht wissen, wie man sich auf dieser Welt schämt
Wenn die Behinderung nicht nur sich sondern auch die Anderen lähmt

Die Freiheit steckt ganz bestimmt nicht in einem drin
Nicht in der Seele, nicht im Herzen oder nur im Hirn
Für mich persönlich komme ich einfach zum Schluss
Dass die Freiheit doch nichts anderes ist als Luxus
Inhaltsverzeichnis

BEGEGNUNG DER ZWEITEN ART

Ich beobachtete wie ein Spieler den Ball verlor
Und wenig später schreit die begeisterte Menge Tor
Doch mein grosses Interesse wird vom Spiel abgelenkt
Meine Augen zur Seite gerichtet, unauffällig gesenkt
Und so beobachte ich eine Frau, sie sitzt neben mir
Merkwürdig, weil sie ist scheinbar ganz alleine hier
Es überraschte mich, weil das Spiel kein Knüller war
Sie hatte wunderbares braunes und gelocktes Haar
Die Lippen mit leuchtendem Lippenstift nachgezogen
Ihr Rücken beim Sitzen ganz leicht nach vorne gebogen
Die Augen und die Wangen etwas zu stark geschminkt
Unten hat der Angreifer seinen Verteidiger wieder gelinkt
Einen kurzen Blick auf die Anzeigetafel und den Spielstand
Eins zu drei für den Gast etwas überraschend, wie ich fand
Doch bis zum Ende des Spiels dauert es noch ein langes Stück
Mein heimlicher Blick kehrt zu der Dame rechts von mir zurück
Ich frage mich schon lange, wer ist sie nur - diese Frau?
Irgendwo her kenne ich sie, ich weiss es ganz genau
Woher? Beginne verzweifelt, in Erinnerungen zu wühlen
Mir ist, als ob ich ihren scheuen Blick auf mir kann fühlen
So als würde sie mich ebenfalls von irgendwo her kennen
Und doch gelingt es ihr auch nicht, meinen Namen zu nennen
Unten auf dem Spielfeld rennen die Spieler hin und her
Aber das Spielgeschehen interessiert sie nicht allzu sehr
Da sass sie neben mir in ihrem dunklen und engen Kleid
Und ich wüsste doch wirklich sehr gerne Bescheid
Welche Erinnerungen sie und ich gemeinsam führen
Einige Bewegungen lassen unsere Körper sich berühren
Die folgenden Minuten sind recht langsam zerronnen
Das Spiel wurde trotz schlechter Leistung gewonnen
Die ansehnliche Menge rings um mich, sie freute sich
Sie war genau wie ich nicht besonders überschwänglich

Alle drängten hinaus, als wäre der Teufel hinter ihnen her
Ich wartete noch und die Halle war schon beinahe leer
Und auch sie ist ganz einfach ruhig sitzen geblieben
Überhaupt keine Eile hat sie von hier fortgetrieben
Ich sagte zu ihr noch kurz, Tschau, beim Aufstehen
Sie schaute mich an und sagte, Tschüss, beim Gehen

Ich war bei der Türe dann der Letzte
Welcher sich durch die Türe quetschte
Inhaltsverzeichnis

INTIME KINDER

Es war einmal ein Winter und es war ziemlich nass und kalt
Zwei gemeinsame Fussspuren irgendwo einsam im Wald
Ein sehr geeigneter Ort, um vertraute Gespräche zu führen
Stille und Ruhe, ich konnte Deinen warmen Körper spüren
Die Äste der Tannen waren schwer und Schnee behangen
Was dann geschah es, war alles plötzlich schnell gegangen
Die letzten Hemmungen und Unsicherheiten verschwanden
Als sich unsere Lippen zusammen pressten und fanden
Konnte es denn tatsächlich sein, ich küsste Dich?
Nun ja, eigentlich eher umgekehrt, ich bin ehrlich
Weil Du hast mich einfach ohne Vorwarnung überrannt
Sich so intensiv zu küssen, war mir bisher nicht bekannt
Denn dies war für mich wahrscheinlich das allererste Mal
Aber in diesem Augenblick liessest Du mir keine Wahl
Nein - nein, nicht etwa, dass ich darüber unglücklich war
Doch ich war halt schon ein etwas tollpatschiger Narr
Aber ich habe Dir ganz tief in Deine Augen geschaut
Und auf die tiefsten Gefühle tief in mir Innen vertraut
Begann Dich, zärtlich und heftig an mich zu drücken
Und strich mit den Händen sanft über Deinen Rücken
Meine Lippen suchten, immer von neuem, die Deinen
Glücklich und trotzdem war mir irgendwie zum Weinen
Ganz heimlich musste ich eine einzelne Träne verdrücken
Meine Hände bewegten sich weiter über Deinen Rücken
Und Eine wohltuende Wärme machte sich tief in mir breit
Aber auch eine seltsame Form von Hilf- und Ratlosigkeit
Weil ich war damals noch so voller Naivität und so klein
Aber wir Beide waren in diesem Augenblick ganz allein
Und die Zweifel und Hemmungen haben wir fortgetrieben
Fragte mich, wie konnte ein Mädchen wie Du, mich lieben?
Diese Frage habe ich mir später noch sehr oft gestellt
Dieser Ort und diese Zeit so völlig zufällig ausgewählt
Um erste intime Erfahrungen mit einem Mädchen zu machen
Schüchterne Ernsthaftigkeit und doch viel mehr zum Lachen

Diese Geschichte ist schon lange her, ich habe vergessen
Wie oft sich unsere Lippen damals noch zusammen pressten
Wir waren verliebt und waren gleichzeitig am Ausprobieren
Und so schön wird es nie mehr, dies lernte ich zu kapieren
Behaupte nicht, dass es später nicht mehr schön gewesen wäre
Nein, nein, es ist ganz bestimmt nicht so, dass ich mich beschwere
Doch es war schon etwas ganz besonderes an diesem Tag im Wald
Wie soll ich es beschreiben, etwas Schönes und Einzigartiges halt
Denn selbst wenn ich heute noch meine Gedanken still darauf lenke
Muss ich mit einem glücklichen, verträumten Lächeln daran denken
Inhaltsverzeichnis

KALTE HAND

Eine wild zusammen gewürfelte Gruppe und doch Barrieren überwunden
Auf seltsame Art und Weise haben wir sehr schnell zusammen gefunden
Auf den Schwingen des unbeschreiblichen Glücks haben wir uns gewogen
Hand in Hand sind wir glücklich durch eine staunende kleine Stadt gezogen
In einer frohen, gelösten und lockeren Atmosphäre, wunderbar zu ertragen
"Deine Hand fühlt sich gar nicht kalt an," hörte ich sie neben mir sagen
Meine Antwort war ein sehr rasches und ziemlich Routiniertes, Nein
Aber heimlich bei mir dachte ich, warum sollte sie auch kalt sein?
Sie hatte keine Ahnung, wie schmerzlich mich dieser Satz berührt
Kurz davor haben wir ein Gespräch über meine Behinderung geführt
Deshalb kommt sie auf diese Idee, sie hat es nicht böse gemeint
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass meine Hand nun kalt erscheint
Genau diese Gedanken habe ich, wenn mich die Anderen anstarren
Wenn meine hilflosen Bewegungen wieder etwas tollpatschig waren
Und die Menschen stumm eine Berührung mit meiner Hand scheuen
Dann bin ich schon etwas traurig, habe wenige Gründe zum Freuen
In diesen Augenblicken schaue ich dann irritiert auf meine linke Hand
Geliebt von meinem Herzen, und manchmal gehasst vom Verstand
Ohne diese Blicke und dieses Lachen würde so vieles besser gehen
Manchmal habe ich grosse Angst, im Leben nicht mehr zu bestehen
Möchte schreien, meine Hand, mein Arm sind aus Fleisch und Blut
Glaubt mir endlich, ich weiss es doch wirklich selbst sehr gut

Ich schaue in ihre Augen, wie die Sonnenstrahlen in sie scheint
Deine Hand fühlt sich nicht kalt an, wie hast Du dies gemeint?
Bestimmt nicht böse, deshalb will ich mich auch nicht beschweren
Und mit ein paar wenigen Worten versuche ich, es Dir zu erklären
"Meine Hand ist ganz normal, ich kann sie nur nicht so gut bewegen
Euch normalen Menschen bin ich mit meiner Behinderung unterlegen
Sie hat zu diesem Thema nichts mehr gesagt, sie hat nur kurz genickt
Und mir zuerst in die Augen und anschliessend auf meine Hand geblickt
Aber ich glaube, sie hatte mein kurzes Zögern von vorher schon bemerkt
Dies hat sie wohl auch in ihrem plötzlichen Themenwechsel bestärkt
Für mich ist das Thema immer aktuell, aber dies kann sie nicht wissen
Und über meine Behinderung zu sprechen, habe ich mich nie gerissen

So sind wir einfach weiter durch die engen Strassen gezogen, Hand in Hand
Und eines weiss ich sicher, kalte Hände hatte in diesem Moment niemand
Aber ich brauchte einige Minuten, um zurückzukehren in den Sonnenschein
War trotzdem froh, weil dies Augenblicke sind, da fühlt man sich nicht allein
Ich könnte wahrscheinlich für die nächsten Stunden immer so weitergehen
Habe sie dabei stumm angelächelt und von der rechten Seite her angesehen
Und sie hat mich ganz fröhlich angelacht und ganz bestimmt nicht ausgelacht
Vielleicht hat mich genau diese Erfahrung wieder ein Stück vorwärts gebracht
Inhaltsverzeichnis

WARMES NEST

Eines schönes Tages lernte ich Dich an einem Fest kennen
Man kann unser Treffen ruhig einen grossen Zufall nennen
Von diesem Augenblick an, hat man uns oft zusammen gesehen
Und ich wusste ganz genau, was auch immer wird geschehen
Jeder meiner Schritte wird mir in Zukunft viel besser glücken
Aus lauter Liebe wuchsen uns Flügel auf unseren Rücken
Wir hoben ab und flogen dann fort in den Sonnenschein
Auf direktem Weg in unseren siebten Himmel hinein
Dort bauten wir uns gemeinsam ein schönes Nest
Sicher vor allen Gefahren, bequem aber auch fest
Einfach einen Ort, um Dich in meiner Nähe zu spüren
Und vertraute und ehrliche Gespräche mit Dir zu führen
In unserem Nest fühlten wir uns immer wohl und geborgen
Aber oftmals, wenn Du nicht da warst, machte ich mir Sorgen
Und trotzdem lasse ich Dich immer wieder alleine fortfliegen
Über meine heimlichen Bedenken habe ich nur geschwiegen
Denn Du brauchtest, so wie ich ja auch, Dein Stück der Freiheit
Neben der wohltuende Wärme und der schützenden Geborgenheit
Weil unser Heim soll ein Nest und niemals ein goldener Käfig sein
So fliegen wir manchmal auf getrenntem Wege in den Sonnenschein
Und wir werden uns diese Ausflüge gegenseitig niemals verwehren
Weil wir wissen beide genau, wir werden immer wieder zurückkehren
Trotzdem wenn Du Dich in unserem Nest zärtlich an mich schmiegst
Weiss ich doch genau, dass Du wenig später wieder alleine fortfliegst
Und es geschieht sogar manchmal, da schicke ich Dich von mir fort
Weil ich Dich kenne und ich genau weiss, Du fühlst Dich sehr wohl dort
Würde ich mich Dir aufzwängen und immer mit Dir dorthin mitkommen
Hätte ich Dir damit ein grosser Teil Deiner Persönlichkeit weggenommen
Aus dem Grund müssen wir auch manchmal auf getrennten Wegen gehen
Auch wenn dabei in meinem Herzen nicht nur gute Gefühle bestehen
Weil ich Dich in diesen Momenten in unserem Nest so sehr vermisse
Aber Du sollst zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort genau wissen
Verletzt Du Dich irgendwie an Deinem Flügel, dann rufe nach mir
Und ich werde Dich suchen und bin, wo Du auch bist, sofort bei Dir
Um Dir in Deiner misslichen Lage zu helfen mit meiner ganzen Kraft
Welche tiefe Schlucht durch Deine Probleme in Dir auch immer klafft
Ich werde wirklich alles tun, um diesen Graben wieder zu schliessen
Damit Du auch wieder bessere und angenehmere Zeiten kannst geniessen

Weil wenn ich Dich manchmal auch aus meiner Nähe lasse
Heisst das sicher noch lange nicht, dass ich Dich nicht liebe
Glaube bitte nicht, dass ich Dich damit von mir schiebe
Weil so oft ich Dich loslasse, auch wieder nach Dir fasse

Ich weiss, Du würdest mich auch niemals irgendwo anbinden
Vielleicht ist dies der Grund, warum wir uns immer finden?
Inhaltsverzeichnis

KARIN, DIE PUPPE

Es war einmal eine Stoffpuppe, sie wurde Karin genannt
Den meisten Menschen hier ist sie wirklich gut bekannt
Ihr Aussehen war nicht besonders hübsch eher schlicht
Sie stand sehr oft im Abseits, der Mittelpunkt war sie nicht
Karin lebt in einem grossen und voll gestopften Wandkasten
Aber wenn irgendwelche Probleme die Menschen belasten
In diesen Augenblicken ist ihre Zeit dann endlich gekommen
Weil dann wird sie aus dem alten Wandkasten genommen
Und ins Zentrum gestellt, die Rollen sind plötzlich vertauscht
Karin ist eine ziemlich ruhige, kleine Stoffpuppe und sie lauscht
Aufmerksam, wenn Menschen von ihren Problemen erzählen
Anschliessend versucht sie, ihre Antworten gut auszuwählen
Damit sich für die schweren Probleme auch Lösungen finden
Und der Kummer und das grosse Leid schnell verschwinden
Diese kleinen Augenblicke geben dem Leben von Karin
Einen wichtigen und manchmal auch einen fröhlichen Sinn
Denn Karin hilft den Menschen wirklich gerne, wenn sie kann
Sie hat Antworten auf Probleme, die das Leben ersann
Weil sie hat gelernt, mit Kummer und Leid umzugehen
Sie weiss, wie man zuhört, und kann vieles verstehen
In schweren Zeiten ist sie beliebt, dies wird daran liegen
Dass sie immer Zeit hat und sie ist auch sehr verschwiegen
Die meisten Menschen schenken ihren Worten vertrauen
Und lassen sie in Gesprächen tief in ihre Seelen schauen
Karin ist oftmals erstaunt von den Dingen, die sie sieht
Weil sie wusste nicht einmal, dass dies alles geschieht
Aber sie blieb immer ruhig, um dann das Richtige zu sagen
Wenn die Menschen sie in schlechten Zeiten um Rat fragen
Und dies tun sie oft, weil die Worte von Karin geben viel Mut
Deshalb tun sie auch irgendwo zwischen Leib und Seele gut
Doch werden die Zeiten wieder besser, vergeht auch ihre Zeit
Dann steckt man sie zurück in den Kasten und in die Dunkelheit

Es gehört bestimmt nicht zum Wesen von Karin zu lügen
Und trotzdem würde sie Eines sicher niemals anfügen
Dass auch sie eine Schulter nötig hat, zum Anschmiegen
Weil auch sie würde manchmal gerne etwas bequemer liegen
Denn in ihrem Wandkasten ist es sehr dunkel und unheimlich
Von Liebe und Wärme träumt sie in der Regel nur heimlich

Und wenn sie nicht gestorben ist, wird sie heute noch leben
Und in dunklen, schweren Zeiten ihre Wahrheiten von sich geben
Inhaltsverzeichnis

1001 NACHT

Sultane und Wesire in schmucken Stoffen gekleidet
Und jedes Detail nach bestem Gewissen vorbereitet
Wie es sich schliesslich auch gehört für 1001 Nacht
Aber irgendetwas habe ich bestimmt falsch gemacht
Denn wenn ich mich im Raum beginne umzuschauen
Dann fällt es mir schwer, meinen Augen zu trauen
Nein, so etwas habe ich wirklich noch nie erlebt
Es kommt mir vor, als wären hier alle festgeklebt
Wie ein Werbespot für Schnellkleber im Fernsehen
Ich gebe es zu, ich kann es nicht wirklich verstehen
Die Menschen lernten sich schon vor Jahren kennen
Trotzdem kommt es mir vor, als ob sie Welten trennen
Diese befremdende Stimmung ist, kaum noch zu ertragen
Haben sich alle diese Menschen, denn so wenig zu sagen
Ob sie es merken, wenn sich einer wie ich davon schleicht
Wahrscheinlich nicht höchsten einer oder zwei vielleicht
Aber ehrlich gesagt, hier habe ich gar nichts mehr verloren
Zwischen Menschen, die ich schätzen lernte, habe ich gefroren
Ich kenne doch so viele ihrer Gefühle und auch ihre Gedanken
Und jetzt trennen uns hier alle scheinbar Meter hohe Schranken
Welcher unübersehbare Unterschied zu unserer Vergangenheit
Weil damals gab es noch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit
Jetzt bestehen hier nur noch diese Kälte und ein Gefühl der Steife
Und es hat auch keinen Sinn, wenn ich mich jetzt noch kneife
Weil ich trotzdem nicht erwache aus dem unglaublichen Traum
Den ich hier erblicke, wenn ich mich umsehe in diesem Raum
Es überraschte mich, und ich war dazu noch nicht bereit
Ich übersah in letzter Zeit wohl mehr als eine Kleinigkeit
Doch vielleicht habe ich es auch gar nicht wissen wollen
Auf der anderen Seite, was hätte ich auch noch tun sollen
Wenn keine Interessen mehr für nähere Kontakte bestehen
Dann soll man dies wirklich auch akzeptieren und einsehen
Weil dies ist mehr als ein Traum, es ist unsere neue Realität
Nur ich erkannte es auch diesmal wieder einmal viel zu spät

Ich bin etwas enttäuscht, wie völlig normal ihnen alles erscheint
Natürlich ist die verletzende Entfremdung nicht persönlich gemeint
Eine Sackgasse, sie haben die Kontakte untereinander aufgegeben
Allerdings fürchte ich, sie werden es bereuen im späteren Leben
Ich wünsche jedoch sehr für sie alle, dass ich nicht recht habe
Denn solche Erinnerungen sind manchmal eine schreckliche Gabe

Wäre ich doch ein echter Sultan in einem fernen orientalischen Land
Denn dann würde ich nur mein Zauberstab schwingen mit der Hand
Und schon wäre ich einfach verschwunden und unsichtbar an Gestalt
Aber hier muss ich zu Fuss gehen und dabei ist es leider oft sehr kalt
Inhaltsverzeichnis

GESPENSTER

Durch das Mondlicht dringen leise Geigenklänge
Füllen diese Stille, und ziehen durch die Gänge
Im Wohnzimmer tanzen zwei bleiche Gespenster
Und der Wind klopft ganz leise an die Fenster

Wo früher ein Feuer brannte steht heute ein Radiator
Und die alten Ziehbrücke wich einem automatischen Tor
Räume, die heute die Sauna und ein Hallenbad verwahren
Erinnern sich genau daran, als sie noch edle Rossställe waren
Der ehemalige Wassergraben, nur ein Parkplatz blieb davon
In jedem Raum steht in der Ecke nun ein schrilles Telefon
Veraltet sind längst Pergament und das umständliche Siegel
Kanonenkugel zerstörten einst einige Mauern und die Ziegel
Heute hinterlassen noch Immobilienspekulationen ihre Spuren
Lange Zeit ist vergangen, seit die Leute noch mit Kutschen fuhren
Und Kerzen anzündeten, um in der Dunkelheit auch etwas zu sehen
Heute besitzt man jede Mengen Glühbirnen, die automatisch angehen
Wo einst die hübschen alten Ölgemälde im Mondschein schimmerten
Steht ein Fernseher, wo digitale Bilder über den Bildschirm flimmern
Die Bewohner treffen sich manchmal am Abend zu einem 'Small Talk'
Moderne Tapeten verbergen an den Wänden den abbröckelten Kalk
Vor den Fenstern klappert nicht, wie es früher war, ein Fensterladen
Im vergangenen Jahrhundert, da veränderten sich die meisten Fassaden

Nur um Mitternacht, da tanzen die Gespenster noch immer
Über die Stühle und die Tische im geräumigen Wohnzimmer
Nichts nützen Spiegel, weil sich selber sieht man doch nicht
Und gegen Blindheit nützt sicher auch kein elektrisches Licht
Das alte Schloss wurde schon längst zu einem grossen Haus
Aber die Unterschiede zu seiner Vergangenheit blieben aus
Die grosse Chance zu lernen, hat der Mensch leider verpasst
Ein Jahrhundert ist vergangen in aller Ruhe und ohne Hast
Aber viele Veränderungen gab es in dieser Zeit trotzdem nicht
Die Menschen auf der Welt tragen dasselbe bleiche Gesicht
Die Erde hat sich unaufhaltsam Stück für Stück weiter gedreht
Dass der Mensch von heute immer noch am gleichen Ort steht
Liegt nur daran, dass er immer nur redet und niemals zuhört
Und selten etwas nützt, sondern leider hier meistens nur stört

Durch das fahle Mondlicht dringen leise Geigenklänge
Füllen die Stille, und ziehen durch die einsamen Gänge
Im Wohnzimmer tanzen immer noch bleiche Gespenster
Und der Wind klopft ganz leise an die grossen Fenster
Inhaltsverzeichnis

BEGEGNUNG DER DRITTEN ART

Warte auf einen Kollegen, bei hereinbrechender Nacht
Es ist diese Zeit, wo das Leben in einer Stadt erwacht
Elektrische Lichter und Neonröhren ersetzen die Sterne
Und ein grünes Tram taucht lautlos auf aus der Ferne
Die Scheiben, welche das Licht der Beleuchtung knicken
Lassen die Gesichter schlecht erkennen, die hinausblicken
Trotzdem erscheint mir, als ob alle Gesichter mich anschauen
Plötzlich glaube ich, meinen Augen nicht mehr ganz zu trauen
Habe ich zwischen diesen Gesichtern nicht auch Deines erkannt?
Am liebsten wäre ich schnell hinter diesem Tram nachgerannt
Doch als es hinter der nächsten grossen Kurve verschwindet
Wird mir klar, dass sich Dein Gesicht nicht im Tram befindet

Gestern war ich an einem Konzert in einem riesigen Menschenhaufen
Ich hatte Durst und wollte mir deshalb rasch am Stand ein Getränk kaufen
Überall eine riesige Menge Menschen auf dem WC und in den Gängen
Welche sich alle scheinbar ziellos in irgendeine Richtung drängen
Endlich hatte ich bezahlt und mein bestelltes Getränk in der Hand
Was soll denn das? Ist das etwa ein Streich von meinem Verstand?
Denn dort weit vorne glaube ich, Deinen Haarschopf zu erkennen
Am liebsten würde ich durch die Menschenmenge zu Dir hinrennen
Doch ich weiss ganz genau, ich muss nicht an diesen Ort gehen
Weil ich würde trotzdem nur eine mir fremde Person dort sehen
Es sind Bilder aus der Erinnerung, die mein Augenlicht stören
Also gehe ich zurück in den Saal, um dort das Konzert zu hören

Endlich Feierabend, in der warmen Küche zu Abend gegessen
Und anschliessend gemütlich vor den Fernseher gesessen
Bei einem Wechsel von einem zu einem anderen Fernsehkanal
Erblickte ich, völlig überraschend für mich, Dich auf einmal
Dasselbe Gesicht und dieselbe Haare genau wie Du es hast
Habe ich in letzter Zeit doch vielleicht etwas Wichtiges verpasst
Denn ich wusste gar nicht, dass Du auch Schauspielerin bist
Über was rede ich, jeder weiss doch, dass dies nicht wahr ist

Wo immer ich Dich auch sehe
Es hat keinen Sinn, wenn ich zu Dir gehe
Denn ich weiss genau, es ist nur Schein
Fantasie, Du kannst es gar nicht sein
Die Begründung dafür ist nicht schwer
Denn Du lebst leider nicht mehr

Trotzdem - Dich in meiner Einbildung zu sehen
Hat mir sehr geholfen, etwas leichter zu verstehen
Dass Du über Deinen Tod hinaus weiterlebst
Und immer noch nach Deinen Prinzipien strebst
Inhaltsverzeichnis

BALLADE VOM WAHREN WEG

Auf der Suche nach einer Abkürzung verliess ein kleines Kind den Asphalt
Und so geschah es, dass dieser Junge sich schrecklich verirrte im Wald
Mitten im finsteren Wald blieb er plötzlich an einer Weggabelung stehen
Zwei Pfade führten in verschiedene Richtungen, einer war kaum zu sehen
Der andere Weg nach rechts war breit, gut hergerichtet und im Sonnenlicht
Der zweite Pfad war schmal, verschlungen und führte direkt in das Dickicht
Auf der breiten Strasse waren zahlreiche Fussspuren und Grillplätze zu sehen
Der andere Weg schien eher beschwerlich und nur mit viel Mühe zu begehen
Und an den Ästen mit den kleinen Dornen kann man sich leicht verwunden
Den sonnigen Pfad hätte jeder bestimmt vollkommen problemlos überwunden
Nicht so der verschlungen Weg, weil dort waren, einige Blutspuren zu sehen
Die Entscheidung fällt dem Jungen schwer, welchen Weg soll er nur gehen?
Den Verschlungenen und Beschwerlichen oder doch lieber den Sonnigen dort
Sie führen beide scheinbar nicht zum selben Ziel auch nicht an den gleichen Ort
Welcher führt aber an sein persönliches Ziel, wie soll der Junge, dies wissen?
Er könnte seinem Gewissen folgen, doch dann wären seine Kleider zerrissen
Oder er könnte auch weiter auf dem Pfad des geringsten Widerstandes gehen
Doch dann würde er vielleicht sein persönliches Ziel niemals vor sich sehen
Er hat sich verirrt, er steht ruhelos hier und ist in seiner Unsicherheit gefangen
Niemand kann ihm einen Rat geben, denn niemand ist beide Pfade gegangen
Alle haben immer nur den Einen oder den anderen Weg für sich selbst gewählt
Es ist so schwer zu entscheiden, welches Argument in diesem Moment zählt

Deshalb konnte er sich für keinen der beiden Wege richtig entscheiden
Er fühlte, der schmale Weg war richtig, aber er wollte doch nicht leiden
Und es ist bestimmt nicht einfach, sich für diesen Weg zu überwinden
Aber jeder muss seinen Pfad ganz persönlich für sich alleine finden
Und weil der Junge nicht wusste, welchen von den Pfaden er sollte gehen
Führte sein eigener Weg nicht weiter, er blieb wie angewurzelt dort stehen
Und mit den Jahren wurde der kleine Junge erwachsen, und er wurde alt
Die Leute kannten ihn unter dem Namen, den freundlichen Geist vom Wald
Immer wenn jemand bei einem Spaziergang zu der Kreuzung kommt, spricht er
Fürchte Dich vor Deinem eigenen Spiegelbild, es ist Dein strengster Richter
Und tanzten dann zwischen den Blätter der Bäume die glitzernden Lichter
Konnte man den freundlichen Geist zusammen mit dem Wind flüstern hören
Lass Dich von den unüberlegten Sprüchen der anderen doch nicht stören
Du musst Dich ganz alleine für einen der beiden Wege hier entscheiden
Weil unter einer falschen Wahl wirst Du in den nächsten Jahren leiden
Deshalb folge nicht Deinem Verstand sondern Deinem Herz und Gewissen
Wird Deine weiche Haut auch zerstochen und die Kleidung dabei zerrissen
Es ist immer noch sehr viel besser, als an einer Kreuzung stehen zu bleiben
Und sich während vieler Jahren nur unentschlossen die Hände zu reiben

Also gehe vorwärts, um Deinen eigenen Weg zu finden
Damit Zweifel und Hoffnungslosigkeit verschwinden
Inhaltsverzeichnis

SUCHE NACH EINER NEUEN WELT

Sage mir, wer sollte uns eigentlich noch rühmen?
Laute Musik und in merkwürdige skurrilen Kostümen
Fragende und sehr weit aufgerissene Pupillen
Und nicht immer ganz Herr von unserem Willen
Neues ausprobieren, ein Leben voller Exzesse
Und doch der nächste Schritt unserer Genese
Orientierungslos, überfordert vom eigenen Leben
So voller Fragen und doch keine Antwort zu geben
Der ständige Zwang, sich profilieren zu müssen
Immer bereit eine schillernde Welt zu begrüssen
Beherrscht von Anforderungen und auch vom Geld
Ständig auf der Suche nach einer anderen Welt
Kampf gegen Vorschriften und doch voller Tabus
Piercing, Tätowierungen, Branding und Lulus
Werte verloren, und noch keine Neuen gefunden
Vorgegebene Zielen, die Eigenen verschwunden
Vollgepumpt mit Inputs und mit weisen Pillen
Die doch niemals helfen, aber auch nicht killen
Von der Welt überfordert und sich dafür schämen
Angst, die Erde mit ihren Problemen zu übernehmen
Welche von den vergangenen Generationen herrühren
Sackgassen, ohne Strassen, die wieder herausführen
Auf der anderen Seite noch nicht richtig danach gesucht
In Mögliche und unmögliche Extreme führt jede Flucht
Furcht, mit den persönlichen Sorgen alleine zu stehen
Weil man in der sauberen Welt keine Flecken darf sehen
Viele Gesprächspartner, welche einem niemals zuhören
Das versteckte Gefühl in der Seele, hier bloss zu stören
Die grosse Welt für ein junges Herz nicht mehr fassbar
Ist das schon alles, was ist denn eigentlich noch wahr?

Was wir brauchen ist eine führende Hand
Eine mit viel Herz und auch viel Verstand
Jemand, der das Leben auf der Welt versteht
Und weiss, wie man mit den Problemen umgeht
Aber wem kann dies eigentlich noch gelingen?
Wer kann die nötigen Voraussetzungen mitbringen
Weil wir doch hier alle irgendwie überfordert sind
Ganz egal, ob als Erwachsener oder noch als Kind
Wer weiss denn noch, wie es weiter gehen sollte
Es ist dieser Fortschritt, der uns längst überrollte
Inhaltsverzeichnis

DER GURU RUFT

Mir scheint, als hörte ich Dich früher niemals so laut lachen
Es ist, als ob Du beginnst, aus einem Schlaf zu erwachen
Diese plötzliche Wandlung, es muss etwas Mystisches sein
Gestern erzähltest Du mir glücklich, Du bist nicht mehr allein
Du trafst einen guten Menschen, der alle Lösungen kennt
Und welcher sich völlig zu Recht einen grossen Meister nennt
Dein leuchtendes Strahlen in Deinen Augen freut mich wirklich
Doch bei genauerem Hinsehen überkommen die Zweifel mich
Weil ich schaue nur zu und sehe Dich ganz langsam entgleiten
Es hat keinen Sinn, mit Dir über diese Angelegenheit zu streiten
Ich gebe auch zu, er hat immer die richtigen Worte zur Hand
Doch ich bitte Dich benütze doch nur einmal Deinen Verstand
Es ist mir doch wirklich völlig egal, mit wem Du ins Bett gehst
Aber das Du den Schwindel nicht durchschaust und verstehst
Höre nur dieses eine Mal auf einen guten Freund, auf mich
Lasse ihm doch niemals die freie Verfügbarkeit über Dich
Folge dem so verlockenden Ruf nicht, wenn Dein Guru ruft
Weil was er Dir erzählt, ist wirklich nur abgestandene Luft
Du sagst mit strahlenden Augen, fühle sie, diese Harmonie
Eine solche Wärme und Geborgenheit erlebtest Du noch nie
Und ich sehe Deine Brüder und Schwester ja auch lachen
Deshalb muss man für den Meister doch nicht alles machen
Denn er kann Dir das Seelenheil bestimmt niemals bringen
Nein, dies kann ihm unter gar keinen Umständen gelingen
Weil Dein Seelenheil musst Du ganz alleine für Dich finden
Es hat keinen Sinn, Dich so sehr an seine Worte zu binden
Sind seine Worte auch in sehr geschickte Sätze verpackt
Zeige ihm trotzdem Deine geschundene Seele nicht nackt
Denn er wird Dich eines fernen Tages schändlich ausnützen
Glaube mir, Du kannst Dich nur für kurze Zeit auf ihn stützen
Und dann wird er Dich wie eine heisse Kartoffel fallen lassen
Aber ich merke, wie Dein Realitätssinn beginnt zu verblassen
Und Ich fürchte, Du hörst mich schon sehr lange nicht mehr
Die schlauen Worte Deines Gurus wiegen schon viel zu schwer
Mir scheint, er hat seine versteckten, falschen Ziele bereits erreicht
Weil Du warst für diesen kalten und böigen Wind einfach zu leicht
Er hat Dich mit einem geschickten Schachzug mit sich fortgetragen
Was soll ich Dir zu diesem gemeinen Spiel jetzt auch noch sagen

Meine Worte holen Dich auch nicht mehr zurück
Du glaubst, Du findest mit ihm Dein grosses Glück
Ich spüre, wie meine Hände nur noch ins Leere fassen
Und sehe ein Bild von einem geliebten Menschen verblassen
Inhaltsverzeichnis

KORB VOLLER GEFÜHLE

Gegen Mitternacht unter dem Dach angelehnt an einem Balken
In mir die Geborgenheit und die Schwerelosigkeit eines Falken
Einer dieser unerklärlichen Tage, die man so selten darf erleben
Stille, wohltuende Harmonie und das schöne Gefühl zu schweben
Links und rechts viele Menschen, welche miteinander tuscheln
Müde und erschöpfte Körper, welche sich aneinander kuscheln
Ich kenne die Namen und auch die Geschichten von so vielen
Der Tag beginnt sich, vor meinen Augen nochmals abzuspielen
Viele Bilder davon werden wohl niemals wieder ganz verblassen
Aber das Meiste kann ich überhaupt noch nicht richtig erfassen
Ich fühle so viele verwirrende, fremde Gefühle ganz tief in mir
Doch das Wesentliche geschah wohl heute ungefähr gegen vier
Waren gut vorbereitet und doch überfordert, so kam es zum Krach
Ein Blitzschlag löste das Gewitter, war zwischen stark und schwach
Worte, Tränen und laute hysterische Schreie drangen an mein Ohr
Pure Ohnmächtigkeit, so dass einem das Blut in den Adern gefror
Nur auf und davon, auf der Flucht mit Tränen in meinem Gesicht
Zurückgekehrt an denselben Ort aus einem Gefühl der Pflicht
Da bestanden viele verwirrende, fremde Gefühle ganz tief in mir
Aber eines wusste ich ganz genau mein Platz bleibt heute hier
Und keines der so intensiven Gefühle ist mir dabei entgangen
Ich bin ziemlich tief gefallen, und ich wurde wortlos aufgefangen
Und gleichzeitig habe ich dabei andere Stürzende festgehalten
Habe plötzlich das ganz ehrliche Bedürfnis, die Hände zu falten
Um ein Gebet in den Himmel zu senden, um dafür zu danken
Denn an diesem Tag zerbrachen in mir so viele Schranken
Während den letzten drei Tagen ist niemals Ruhe eingekehrt
Es war trotzdem schön, habe mich deswegen nicht beschwert
Jetzt ist zum ersten Mal Zeit, einige Augenblicke zu versäumen
Da reisst mich eine gut vertraute Stimme aus meinen Träumen
"Was ist mit Dir heute denn nur geschehen
Ich habe Dich noch nie so strahlen gesehen"
Ohne Antwort schaue ich sie nur leise lächelnd an
Weil man solche Gefühle doch nicht beschreiben kann
Nur eine leichte Berührung und ein kurzes Kopfnicken
Und dieser Genuss in verständnisvolle Augen zu blicken
Ich wusste genau, ich werde es niemals wieder vergessen
Einfach den Worten gelauscht und glücklich dagesessen
Die Stimmen um mich sind langsam aber sicher verklungen
Zum Abschluss haben wir noch ein stilles Lied gesungen
Anschliessend haben wir uns müde und erschöpft aufgemacht
Und dann blieb nur noch die Stille und die Ruhe einer Nacht
Trotzdem habe ich noch sehr lange keinen Schlaf gefunden
Weil viel zu viele Gefühle habe ich noch in mir empfunden
Inhaltsverzeichnis

VERFÜHRT UND VERLOREN

Ich sehe ein ganz kleines Lächeln
Macht nun Platz dem Tränenbächlein
Wenn ich mit dieser Wandlung etwas zu tun habe
Hat dies nichts zu tun mit einer besonderen Gabe
Denn viel mehr ist dabei das grösste Stück
Von dieser Veränderung wirklich nur Glück
Aber wenn mich Deine Augen so anstrahlen
Fühle ich, ich beginne, langsam zu fallen
Ich weiss, Du würdest mich auffangen
Aber wo würden wir dann hingelangen
Deshalb kannst Du es sicher verstehen
Es wird Zeit, ich muss jetzt nun gehen
Schaue, mich nicht so fragend an
Wieso ich jetzt gehen kann?
Ich kann es ja auch nicht
Aber ich schaue nicht in Dein Gesicht
Meine Prinzipien sind für Dich kein Begriff
Aber mich haben sie ziemlich fest im Griff
Meine Regeln sind hart und doch schlicht
Ich weiss, leicht ist es bestimmt nicht
Ich habe mit Dir lange gesprochen
Und Deine Schutzmauern zerbrochen
Als wir Dich einst alleine vorfanden
Aber Du hast mich nicht verstanden
Sonst würdest Du mich nun nicht fragen
Ich werde Dir die Antwort nicht sagen
Ich gehe, es ist besser für mich
Und leider auch besser für Dich
Meine Arme sind ein guter Halt
Aber Du hättest in Ihnen nur kalt
Ich bin schon viel zu weit gefallen
Versuche mich, am Rand festzukrallen
Ich weiss, es kann keine Lösung sein
Aber löse nicht meinen letzten Stein
Merkst Du nicht, Ich fange an zu lallen
Und beginne schon, in das Nichts zu fallen
Ich weiss, Du würdest mich auffangen
Aber wohin würden wir dabei gelangen
Wir würden Beide irgendwo im Nichts enden
Und dort werde ich Dich niemals hinsenden
Deshalb behalte jetzt einfach Dein Lächeln
Ich behalte für mich Dein Tränenbächlein

Ich werde jetzt gehen
Ich weiss, Du wirst es nie verstehen
Inhaltsverzeichnis

CHRIS VOR DER MAUER

Ich kannte früher einen merkwürdigen Kerl, der hiess Chris
Der war ständig auf der Suche nach dem verlorenen Paradies
Und er war furchtbar begierig darauf, es einmal zu entdecken
Er fragte sich, welche Dinge sich hinter der Mauer verstecken
Die meisten Menschen durchqueren Mauern ja durch Türen
Aber dabei werden sie wohl niemals die Wahrheit spüren
Chris hatte diese Tatsache schon in frühen Jahren erkannt
Und deshalb ist er Kopf voran gegen jede Mauer gerannt
Sicher, er versuchte auch darüber zu klettern mit einem Seil
Aber die Mauer war viel zu hoch, zu glatt und auch zu steil
Deshalb rannte er immer weiter dagegen ohne einen Helm
Doch Chris war bestimmt nicht dumm viel eher ein Schelm
Die Menschen, die vorbeikamen, schüttelten nur ihre Köpfe
Aber genau genommen waren ja sie die armen Geschöpfe
Auch wenn sie sagten, der ist doch durchgeknallt, dieser Chris
Steckten ihn in ein Irrenhaus oder besser gesagt in ein Verlies
Doch Chris liess sich damit nicht von seiner Aufgabe ablenken
Sollen seine Mitmenschen doch, was sie wollen über ihn denken
Er rannte und schlug weiter unaufhaltsam gegen die steinerne Wand
Schmerzten ihn dabei auch fürchterlich sein Kopf und seine Hand
Aber hinter diesen unnachgiebigen Steinen lag sein einziges Ziel
Und das war seine Lebensaufgabe und nicht etwa nur ein Spiel
Chris wird es immer besser als diese dummen Spötter wissen
Und schaue da, die Mauer bekam kleine aber sichtbare Risse
Von Zeit zu Zeit hielt er inne aber nur für ein paar Sekunden
In den Augen der vielen Zuschauer hat er nur Spott gefunden
Aber die dummen Sprüchen und Missbilligungen nahm er in Kauf
Den von neuem ging er zurück und nahm einen riesigen Anlauf
Kurze Zeit später ist er unbarmherzig gegen die Mauer gekracht
Ein höhnisches Gelächter ertönte, alle haben sie ihn ausgelacht
Doch er wollte sich deswegen mit den Leuten nicht streiten
Nur Missbilligungen, es waren für ihn sehr schwere Zeiten
Aber er wusste, was er tat, nein, er war nicht von Sinnen
Er hatte ein Ziel, dies war mehr als die Meisten von Ihnen
Die den Kopf schüttelten, wenn sie ihm spöttisch zuschauten
Den Augen bei der Sinnlosigkeit seines Vorhabens nicht trauten
Nichts von alldem hat Chris seine grosse Überzeugung geraubt
Weil er hat unbeirrbar an seinen ungewöhnlichen Weg geglaubt
Und eines war ganz gewiss, der Mann, welche alle kennen, Chris
War ständig auf der langen Suche nach dem endgültigen Paradies
Und er war furchtbar begierig, dieses Wunder endlich zu entdecken
Welche wunderbaren Dinge mögen sich hinter der Mauer verstecken
Und erstaunlicherweise hatte sein Anrennen doch etwas genützt
Denn die riesige Mauer ist wirklich mit lautem Getöse eingestürzt
Aber Chris fiel bedauerlicherweise einer der Stein auf den Kopf
Die schöne neue Welt, die er erschuf, sah er nie, der arme Tropf
Inhaltsverzeichnis

SONJA HINTER DER MAUER

Mauern wachsen ohne Wasser und Sonne aus ihrem Samen
Aber Sie stürzen niemals wieder von ganz alleine zusammen
Wie aus heiterem Himmel hat es plötzlich auch Sonja erwischt
Einer dieser unheilvollen Samen hat sich in ihr Leben gemischt
Und es ist in der Regel schon zu spät, wenn man es bemerkt
Die Mauer wurde grösser und hat sich ständig selbst verstärkt
Bis sie von einem Tag auf den anderen Sonja völlig einschloss
Und wenn von Zeit von Zeit auch einmal eine kleine Träne floss
Trocknete sie aus und verschwand unbemerkt unter einem Stein
Sonja war in ihrem Leben bestimmt nie einsam, sie war nur allein
Jetzt steht sie hinter dieser dicken und unüberwindbaren Wand
Jeder kannte sie, aber ihre Worte hörte leider trotzdem niemand
Dies lag an der Mauer, denn ihre Stimme war sicher nicht zu leis
Und so drehte sich Sonja unter all den Menschen immer im Kreis
Sie weiss auch nicht, warum die dicken Mauern stehen so nah?
Ja sie sieht die Wände nicht einmal, aber sie sind trotzdem da
Sonja hofft nun, es wird jemand die Mauer zum Einsturz bringen
Nur auf diese Weise wird Ihr die Flucht eines Tages gelingen
Diese hohe Mauern werden ihr immer etwas Angst einflössen
Es ist wahr, jemand braucht nur, einen einzelnen Stein zu lösen
Die ganze Mauer würde mit einem lauten Knall zusammenkrachen
Und Sie bekommt die Gelegenheit, sich aus dem Staub zu machen
Es ist einfach, sie wartet nur auf diesen uneigennützigen jemand
Nur - dieser „jemand“ würde begraben unter der einstürzenden Wand
Dies weiss auch jeder, darum sieht man alle weiter achtlos vorbeigehen
Mit einem Lächeln machen sie den Anschein, als würden sie nichts sehen
Sonja sieht sie alle, aber sie kann jeden einzelnen von Ihnen verstehen
Aber trotzdem hofft sie, es wird eines Tages ganz unverhofft geschehen
Dass ein Mensch in der Zukunft vor ihren unmöglichen Mauern auftaucht
Und ihr endlich die reine Luft gibt, welche sie doch zum Atmen braucht
Es muss auch ganz sicher nicht ein Held sein, einfach nur ein jemand
Der in der Mauer löst diesen einen verflixten Stein mit sicherer Hand
Er wird mit dieser Tat bestimmt keinen Blumentopf gewinnen können
Abgesehen von den Sekunden die ihm das gute Gewissen kann gönnen
Bevor die einstürzenden Mauerbrocken auf seinem Kopf einschlagen
Aber trotzdem wird es eines fernen Tages jemand für sie wagen
Darauf wartet sie in ihrer Stille und mit enorm grosser Geduld
Armes Mädchen an ihrer Situation trug sie niemals Schuld

Sage nicht, Du hast diese Geschichte nie wahrgenommen
Weil sie wird bestimmt immer wieder und überall vorkommen
In jeder Strasse, in jedem Dorf, in jeder Stadt und in jedem Land
Ich frage mich im Stillen, warum ist meine Name heute „Jemand“
Inhaltsverzeichnis

WELTREISE

Ich dachte bestimmt nie, dass mich hier etwas hält
Ja, es gab eine Zeit, da wollte ich hinaus in die Welt
Meine Ziele waren Amerika, Australien oder China
Ganz egal wohin Hauptsache der Ort lag nicht nah
Die Tristesse hier liess mich nach der Ferne fassen
Hatte nichts Wichtiges, was ich musste zurücklassen
Bis sie zu mir sagte, wovor willst Du davonrennen?
Ich antworte ihr, ich will nur einmal die Welt sehen
Sie lächelte, dafür musst Du nicht so weit gehen
Willst Du die weite Welt wirklich lernen kennen
Dann mache nur einen Schritt aus Deinem Haus
Gehe auf Deine vertraute Strasse vor die Tür hinaus
Schaue Dir die Menschen an in einer finsteren Nacht
Und schaue sie Dir an, wenn die Sonne freundlich lacht
Schliesse Deine Augen nicht im Nebel - nicht im Regen
Und vergiss niemals, wer Dir hier alles kommt entgegen
Lerne zu sehen, lerne, die seltsamen Dinge zu verstehen
Und Du wirst viel mehr von dieser weiten Welt sehen
Als Dir fremde Städte und unbekannte Strassen sagen
Doch es braucht grossen Mut, man muss sehr viel wagen
Die Welt in sich zu lassen, denn man wird einen Teil von ihr
Und Du kannst Dich von ihr in Zukunft nie mehr losreissen
Nur auf diese Weise siehst Du wirkliche die Welt vor Dir
Aber ich gebe zu, es ist sehr viel einfacher weit zu reisen
Weil dieser Weg kann man mit Geld und Luxus gehen
Doch die grosse Welt wird man dabei niemals sehen
Vergiss niemals, dass Kameras nur Fassaden aufnehmen
Als fremder Tourist werden sie Dir nur etwas vorschwärmen
In allen fernen Ländern werden sie es bestimmt vermeiden
Zu zeigen, das wahre Glück und die wirklichen Leiden
Willst Du wirklich die Welt sehen, dann bleibe hier
Denn die wahre Welt spiegelt sich in Deinem Quartier
Mit den Leuten musst Du reden und auch schweigen
Und sie werden Dir unaufgefordert die Wahrheit zeigen
Denn diese Mitmenschen reden nicht von bunten Prospekten
Und es sind bestimmt nicht blosse Showdowns in Kollekten
Es ist doch nur eines, unsere Welt und die einzige Wahrheit
Um sie zu erfassen, braucht es nur Dein Wille und etwas Zeit

Ich weiss, es fällt Dir schwer, dies zu verstehen
Aber ehrlich willst Du die wirkliche Welt sehen
Dann mache eine Schritt hinaus vor Deine Tür
Aber den Meisten fehlt leider der Mut dafür
Inhaltsverzeichnis

UNERWARTET KOMMT DAS ERWARTETE

Es ist Oktober und eine grelle Sonne scheint
Ein Spätsommer, der es sehr gut mit uns meint
Weit und breit kann man fröhliche Gesichter sehen
Frohen Mutes werde ich jetzt über die Strasse gehen
Es war am Nachmittag, ich schätze ungefähr gegen drei
Plötzlich eine quietschende Bremse und eine laute Hupe
Ein ganz kurzer Schreck und dann ein fast lautloser Schrei
Ab diesem Moment erscheinen mir alle Bilder wie in Zeitlupe
Ein kurzer Gedanke, warum müssen die immer so rasen?
Als mich die Vorderräder von dem schnellen Auto erfassen
Die eben noch lachenden Gesichter waren plötzlich erfroren
Dann habe ich im Chaos völlig meine Orientierung verloren
Ich spüre die schweren Räder über mein linkes Bein fahren
Merkwürdig eigentlich müsste ich grosse Schmerzen erfahren
Aber eigentlich ist es ein anderes Gefühl viel eher angenehm
War auch meine momentane Lage vielleicht etwas unbequem
Die Leute rings um die Szene rennen alle schnell zusammen
Irgendeiner der mich kennt, ruft im Getümmel meinen Namen
Aber ich erkenne in diesem Gedränge nicht mehr, wer es ist
Ist dies wohl mein Blut, was mir über mein Gesicht fliesst?
Ich habe dieses Gefühl, in ein ganz tiefes Loch zu fallen
Von den um mich stehenden Massen höre ich ein Lallen
Ich sehe sie, aber irgendwie wie aus weiter Entfernung
Mir ist nicht bewusst in welcher brenzligen Situation ich bin
Aber seltsame Gedanken kommen mir plötzlich in den Sinn
Morgen in der Zeitung finde ich bestimmt auch Erwähnung
Bilder aus der Vergangenheit schwirren durch meine Gedanken
Ich schwebe durch den Raum ohne Hindernisse und Schranken
Die ganze Situation hier, sie scheint, mich gar nichts anzugehen
Mir ist nicht einmal klar, was ist mit mir eigentlich geschehen
Von einem Augenblick auf den anderen habe ich Klarsicht
Ich verstehe plötzlich, dass mein Lebensweg heute abbricht
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, keine Gefühle mehr zu haben
Das Getue rings um mich scheint, mich immer weniger anzugehen
Ich bekomme nur noch mit, dass mir eine Menge Menschen zusehen
Vier Tage später werde ich dann auf einem Friedhof begraben
Da sind sehr viel weniger Menschen als bei meinem Unfall
Aber in meinem Zustand interessiere ich mich nicht für eine Zahl
Sie hätten ruhig auch alle zuhause bleiben können
Um sich selber und mir auch etwas Ruhe zu gönnen

So ruhig zu liegen war merkwürdigerweise gar nicht so schwer
Nur irgendwie ziemlich einsam, auf seltsame Weise einfach leer
Inhaltsverzeichnis

LIEBESGEDICHT

Es ist kein Zufall, dass ich nach Dir spähe
Ich fühle mich einfach wohl in Deiner Nähe
Schimpfe mich ruhig einen absoluten Narr
Aber ich mag Dein langes blondes Haar
Und liebe, wenn Deine Augen mich anstrahlen
Für die Augenblicke mit Dir würde ich viel bezahlen
Kein Geld, denn Du bist bestimmt nicht käuflich
Deine Worte sind in den meisten Fällen so trefflich
Dass ich daneben wie ein Waisenknabe aussehe
Begreifst Du jetzt endlich, dass ich auf Dich stehe
Ich möchte Dein Herzschlag auf meiner Haut spüren
Und Dich zärtlich in meine bunten Träume entführen
Mache Dir Angebote mir einen Schritt näher zu kommen
Aber Du hast leider kein einziges davon angenommen
Trotzdem habe ich das Gefühl Du bist mir nicht abgeneigt
Denn dies haben mir einige unserer Gespräche gezeigt
Ich weiss nicht, wie ich Dich doch noch könnte gewinnen
Alle meine Möglichkeiten scheinen mir zu entrinnen
Ich bin halt ein hilfloser und auch schüchterner Mann
Mit einer ansteckenden Fröhlichkeit lächelst Du mich an
Erzählst mir Geschichten und Episoden aus Deinem Leben
Mir wird langsam bewusst, dass ich irgendwie leide daneben
Ich versichere Dir, ich treibe hier kein hinterhältiges Spiel
Vielmehr verfolge ich mit meinem Handeln ein ehrliches Ziel
Ich war eigentlich schon immer gerne mit Dir zusammen
Hatte für meinen Gefühle nur nie den richtigen Namen
War mir leider viel zu lange selbst nicht sicher
Ist diese Aussage nicht sehr viel ehrlicher?
Als wenn ich vollkommen überzeugt erkläre
Dass es Liebe auf den ersten Blick wäre
Diese Behauptung wäre doch wirklich gelogen
Doch längst ist der kleinste Zweifel in mir verflogen
Denn in der Zwischenzeit habe ich längst erkannt
Ich weiss, meine Gefühle werden Liebe genannt

Aber zugeben will ich dies trotzdem nicht
Denn es könnte jemand über mich lachen
Ich bleibe ich lieber im Schatten als im Licht
Habe Angst vor einem schrecklichen Erwachen
Inhaltsverzeichnis

PUZZLE DES LEBENS

Manchmal, wenn ich mich an der grossen Hektik der Umwelt nicht störe
Schalte ich ab und liege gemütlich auf meinem Bett, wobei ich Musik höre
Bin dabei nicht traurig und nicht glücklich, nur meine Batterien sind leer
In der Ruhe lade ich mich wieder auf, ist der Stress auch nicht lange her
Auf der Reise zu mir selbst scheinen viele Gedanken, mich zu begleiten
Es sind Geschichten - kleine Episoden aus längst vergangenen Zeiten
Bruchstücke - ganz winzig kleine Bausteine von einem erfühlten Leben
Gedanken - die fragend auf mich einwirken - ohne eine Antwort zu geben
Siege und auch Niederlagen, die man einst focht mit dem Schwerte
Auffällig, zufällig und auch wertlos aber sicherlich niemals ohne Werte
Ich spüre wie sich die vielen Geschichten zu einem Bild zusammenfügen
Zu einem Selbstporträt - einem Spiegelbild, welches niemals wird lügen
Aber wenn man die unscheinbaren Formen und Farben des Bildes entdeckt
Macht man verstört einen Sprung zurück - die Erkenntnis hat erschreckt
Man ist sich ganz sicher, dieses eindeutige Bild muss einfach lügen
Einzelne Teile beginnt man auszuwechseln, um andere anzufügen
Vor dem inneren Auge beginnt nun, ein anderes Bild zu entstehen
Aber man braucht es, nur einige wenige Sekunden lang anzusehen
Bis man wiederum feststellt: „Das - Das bin ich ganz bestimmt nicht“
Und damit dieses so verräterische Spiegelbild endgültig zerbricht
Wirft man hilflos und verärgert einen schweren Stein oder ein Ziegel
Schon zerschmettert er in tausend Stücke, dieser verfluchte Spiegel

Aber wie viele Spiegel auch immer von neuem zerspringen
Es wird wohl niemandem endgültig und für immer gelingen
Von der eigenen Vergangenheit und der Wahrheit davonzulaufen
Man kann sich ein neues Gesicht aber keinen neuen Charakter kaufen
Die Bilder, die in einem selbst entstehen, werden nie verschwinden
Weil wir werden uns immer von neuem im Spiegelbild wiederfinden
Man kann sich ein eigenes Bild malen und an die Fassade hängen
Aber die Wahrheit wird sich doch wieder in den Vordergrund drängen

Ich weiss, es ist nicht einfach, mit dem eigenen „ICH“ zu leben
Aber Du musst doch auch eines Tages lernen, Dir selber zu vergeben
Male ruhig ein Bild für die Anderen, wenn Du vor ihrem Urteil bangst
Aber habe von den stillen Momenten und vor Dir selbst keine Angst
Schaue mit offenen Augen in Deinen eigenen schillernden Spiegel
Du zerstörst ihn nicht mit Ausreden und auch nicht mit einem Ziegel

Versuche, den Blick für die Realität, nicht zu verlieren
Lerne, Ungereimtheiten und Unebenheit zu akzeptieren
Jeder Lebensweg ist lang
Und jeder beginnt am Anfang
Inhaltsverzeichnis

FÜR EINEN UNBEKANNTEN

Hier starb jemand in absoluter Ruhe und im Schweigen
Genauso wie er einst tanzte in seinem Lebensreigen
Weil er war vollkommen unauffällig, kaum zu sehen
Er war nicht der Typ dazu, um im Mittelpunkt zu stehen
Und so wird auch nie jemand eine Strophe über ihn singen
Oder seine faszinierende Lebensgeschichte zu Gehör bringen
Dass er in Zukunft nicht mehr da ist, fällt kaum jemandem auf
Diese Geschichte ist auch nichts anderes als der Dinge Lauf
Auf seinem Grabstein hat es noch jede Menge Platz
Weil da steht überhaupt kein Spruch und auch kein Satz
Nur zwei schmucklose und nichtssagende Zahlen
Welche aber den Passanten nicht weiter auffallen
Da gibt es niemand, der sich Gedanken gemacht hätte
Über die richtigen Worte für seine ewige Grabstätte
Er war ein Nichts, denn er lebte ruhig und leise
Niemals gehörte er zu dem erleuchtenden Kreise
Vor seiner Grabstätte bleibt auch kaum jemand stehen
Nur eine kleine Gestalt kann man von Zeit zu Zeit dort sehen
Die anderen Besucher haben das Mädchen nicht gekannt
Wahrscheinlich war sie mit ihm irgendwie verwandt
Jede Woche stand es dort, das kleine, trauernde Kind
Auf dem ungeschmückten Grab flackerte eine Kerze im Wind
Das Mädchen stellte sie vor wenigen Minuten vor den Grabstein
Und auf ganz seltsame Weise scheint dies auch kein Zufall zu sein
Denn sollte jemand den ihn kannte in diesem Moment vorbeigehen
Er würde darin ganz bestimmt eine gewisse Symbolik sehen
Denn wie eine Kerze im Wind, war dieser, der jetzt hier liegt
Hatte er zu Lebzeiten auch niemals gelernt, wie man siegt
Aber er hat es sich auch niemals einfach nur leicht gemacht
Seine Flamme hat so manches erloschene Feuer wieder entfacht
Indem er sich in seinem spärlichen Glück nicht einfach sonnte
Sondern seine schützenden Hände darbot, wo er helfen konnte
Er war kein bequemer Typ, er legte seine Hände nicht in den Schoss
Deshalb war er auf seine eigene Art auch wirklich gross
Auch wenn es in seinem Leben niemand erkannte
Weil er nicht der grossen Aufmerksamkeit nachrannte
Auch sein Tod war nicht aussergewöhnlich
Er starb mit sich selbst versöhnlich
Und im Wind erlosch sein Licht
Ohne Aufsehen und ohne Bericht

Deshalb weiss ich für seinen Stein schon lange den passenden Satz
„Eine kleine Kerze im Wind liegt für ewige Zeiten an diesem Platz“
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