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Blutspuren 4
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ICH
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Ich stoh nid grad uf und schreie, ich Bi ender de wo seid, es isch mer glich Ich wart zerscht emol und säg, emol luege Gang meischtens nid so schnell über Brugge Mer muss mir immer e Schritt entgege cho Lueg mi nid so überrascht a, ich bi jo do Ich bi doch nid dä, wo Du in mir wilsch gseh Ich bin es nie gsi und erscht recht nümme meh Denk nid, ich bi mi Weg allei gange dur jedi Wand Stolz und sicher mit Herz und mit viel Verstand Los doch nid uf die, wo irgend so öpis verzähle Wil ich ha doch müsse und ganz bestimmt nid welle Hesch noh nie ghört die viele andere Gschichte Denn los emol genau zu, wenn sie sie brichte Wenn ich mini Nächt schlaflos verbracht ha Und wie mängisch ich scho grossi Angst ha gha Vielliecht tun ich wirklich selbstsicher erschiene Aber es verbirgt sich Unsicherheit hinter minere Miene
Hör äntli uf mi so überrascht azluege Ich gang nid freiwillig über die Brugge Ich bi au ganz bestimmt nid wieter obe Do derfür bin ich scho viel z'viel umgfloge Und mini blutige Händ chöme nid vom Kampf Sie sind doch nume vo dem viele Chrampf Lueg mi emol ha, ohne mini Vergangeheit So wieni jetzt do stoh, mit minere Feigheit Denn gsesch, ich bin nume ganz schüch und chli Glaub mir, ich bruch doch au öber so wie Di Wer hat Dir erzählt, dass ich alles verchraft? Lueg mi a, denn gsesch, es het mi scho gschaft Wil ich ha scho lang Kopfweh vo dere dicke Wand Drum bruch ich doch Dini schwachi und chlini Hand Wil Du doch so viel meh Kraft und Mut als ich hesch Au wenn Du mini Träne vielliecht niemols gsesch Sind sie trotzdem immer irgendwo unsichtbar do Us dem Grund musch Du mir e Schritt entgege cho Denn im Grund, da bin ich doch unglaublich feig Au wenn ich es meistens überhaupt nid zeig
Mini Gschicht, mini Vergangenheit macht mi nid zum Held Ich weiss nid, wer Dir immer noh sone Blödsinn verzählt Bi doch mängisch so hilflos, so schutzlos und so nutzlos Luss mi doch ausbrülle in Diem warme und weiche Schoss Inhaltsverzeichnis
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ALTE SCHUHE
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Sie liessen einem zu keinem Zeitpunkt allein Marschierten gemeinsam über Stock und Stein Man erlebte zusammen so manches Abenteuer Die alten Schuhe wurden einem lieb und teuer Aber sie wurden abgenützt und ausgelaufen Deshalb wird es Zeit, ein paar Neue zu kaufen Etwas zögerlich, weil man tut es gar nicht gern Aber die Neuen glänzen und sind so Top modern Die Alten, sie können die Konkurrenz nicht scheuen Weil man die Erinnerung nicht kann wegscheuchen Doch alte Schuhe bekommen leider gar keinen Dank Denn man braucht den Platz im engen Schuhschrank Und man braucht sie ja schliesslich auch nicht mehr Die gemeinsame Vergangenheit ist viel zu lange her Als die alten Schuhe dann so aus dem Müll guckten Und ganz heimlich eine kleine Träne verschluckten Begriffen sie schnell, dass jede Erinnerung zerbricht Dann warf man ihn auch schon weg, den Kehricht So dass die Schuhe ins vergessene Land gelangen So sind sie den Weg des Unvermeidlichen gegangen
Doch dass neue Schuhe nicht nur entzücken Merkt man oftmals erst, wenn sie einen drücken Schritte sind nicht mehr so einfach, wie sie waren Weil die Neuen zu sehr in ihrer Form verharren Und so bleiben sie weiter sauber und so blank Weil man stellt sie zurück in den Schuhschrank Jede dumme Ausrede kommt einem nun gelegen Und man geht einfach weiter auf getrennten Wegen
Plötzlich erinnert man, sich an die alten Schuhe Man öffnet auf der Suche nach ihnen jede Truhe Vergessen bleibt, wo man sie das letzte Mal sah Wo man auch nachschaut, sie sind nicht mehr da Sie sind nicht dort, wo sie sich einst noch befanden Dabei sind sie einem doch wirklich gut gestanden Und sicher haben sie einen überall hingetragen Führten einen völlig unbeirrbar durch alle Lagen Egal ob Sonnenschein, Hagel oder auch Gewitter Die Erinnerung daran schmeckt nun plötzlich bitter
Die so wunderbaren alten Schuhe liessen einem ganz allein Und so geht man für kurze Zeit barfuss über Stock und Stein Weil man hat die Vergangenheit schon zu weit zurückgelassen Doch keine Sorgen auch die neuen Schuhe werden sich anpassen Inhaltsverzeichnis
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WEHENDE FAHNEN
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Dasselbe Datum, dieselbe Sonne wie an jenem Tag In mir eine Erinnerung, welche ich so ungern mag "Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen" Waren Deine Worte, ich lernte, sie zu verstehen Nun - nun ist Dein Grab längst schon verschlossen Und meine Tränen, sie sind auch schon verflossen Viel zu lange bist Du nun leider schon tot Ich blicke auf die Blumen im prächtigen Rot Es tut mir auch nicht mehr so schrecklich weh Viel zu oft lag auf Deinem Grab schon Schnee Warum hast Du uns denn nur so zurückgelassen? Ich spüre, dass meine Hände in die Leere fassen "Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen" Ich wollte Dich doch niemals so sterben sehen Habe Deinen Worten vertraut, sie klangen so gut Du hast mir aufstehen geholfen und gabst mir Mut Und vielleicht werde ich Dir deshalb nie verzeihen Hattest niemanden, der Dir etwas Kraft konnte leihen Deine Fahne flattert nicht, sie hängt schlaff im Wind Ich war fassungslos, ratlos, einfach ein grosses Kind
Ich weiss noch, als sie mich zu sich bestellten Und mir vorsichtig und schonend davon erzählten Da waren keine Tränen, da war nichts - nichts mehr Heute ist das alles schon so unendlich lange her Es ist so plötzlich und so unerwartet geschehen Wahrscheinlich hatte es niemand vorausgesehen Wenige Tage zuvor hast Du noch Sprüche gemacht Und uns alle zusammen, damit zum Lachen gebracht Wir waren alle so sehr neidisch auf Deine Lebenslust Nein, das ist nicht wahr, irgendwie habe ich es gewusst Wenn wir Probleme hatten, so schützte uns Deine Hand Du warst immer ganz alleine, weil Du hattest niemand Weil auf Deine stummen Zeichen haben wir nicht geschaut Denn viel zu sehr haben wir auf Deine Stärke vertraut Dass dies alles aber auch an Deinen Kräften zerrte Begriffen wir erst nach Deinem Sprung ins Leere
Bist Du dort, wo Du hin wolltest, auch angekommen? Oder hast Du alle die Berge vergebens erklommen? "Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen" Nur wir blieben fassungslos und alleine stehen Oft schon habe ich bei mir darüber nachgedacht Was hast Du - was habe ich bloss falsch gemacht? Ich weiss nicht, ob ich Dir jemals werde verzeihen Hatte niemand etwas Kraft, um sie Dir zu leihen?
Dies sind Gedanken, die mir durch den Kopf streifen Ich habe das Gefühl, ich brauche, mich nur zu kneifen Um von diesen Bildern und Erinnerungen zu erwachen Um alles noch einmal und vielleicht besser zu machen Doch Dein Grabstein ist wirklich und darauf sollte stehen "Ich kämpfte, versuchte, mit wehenden Fahnen unterzugehen" Du warst so stark, aber die Erinnerungen, sie verblassen Warum nur hast Du uns alle alleine zurückgelassen?
In den Jahren, welche dann nach Deinem Tod sind gekommen Habe ich mehr schlecht als recht Deinen Platz eingenommen Ich lauschte den zahlreichen Geschichten mit ihren Problemen Die so gar nichts anderes tun, als das Herz und die Seele lähmen Tröstete und redete, redete und tröstete sprach von Sonnenstrahlen Bis die Probleme scheinbar verschwanden zusammen mit ihren Qualen
"Kämpft, um mit wehenden Fahnen unterzugehen" Wie schwer das ist, sie werden es noch verstehen Aber dies zu erzählen, habe ich niemals gewagt Nein, ich habe ihnen immer nur das Gute gesagt Ach, könntest Du mich hier nur predigen sehen Und wie ich lernte, Deine Worte zu verstehen Ich glaube, Du wärst sicher sehr stolz auf mich Aber ein fahler Beigeschmack bleibt unweigerlich Weil ich fürchte, sie werden einst mein Grab aufsuchen Und sie werden verstehen, und mich deshalb verfluchen "Kämpfen und versuchen mit wehenden Fahnen unterzugehen" So wie ich jetzt, werden sie mal vor meinem Grab stehen Und fragen: "Warum erzähltest Du nichts von dem Frust? Hast Du davon denn wirklich überhaupt nichts gewusst?“ Aber sie werden auf ihre Frage keine Antwort bekommen Denn sie haben schon längst meinen Platz eingenommen Mit denselben Geschichten werden sie in die Welt gehen Weil auch sie lernten, in der Zwischenzeit zu verstehen Der Kreis, er hat sich doch schon längst geschlossen So wie schon so oft in den Jahren, die sind verflossen
Nur ein hilfloser Mensch bleibt hier zurück Der das Leben kennenlernte Stück für Stück Und sich davor fürchtet, die Anderen anzulügen Seltsam, dass Verständnis Schmerz kann zufügen "Kämpfe, um mit wehenden Fahnen unterzugehen" Vielleicht werde ich das auch immer so sehen Hängen die Fahnen auch schon schlaff am Mast Wann kommt die Zeit für die letzte grosse Rast
Es wird schon dunkel - es wird Zeit, um zu gehen Man kann nicht einmal mehr meine Tränen sehen Inhaltsverzeichnis
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EINE TRÄNE
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Blaue Augen, halb geschlossen, so als ob sie einfach dösen Als sich eine Träne aus dem Augenwinkel beginnt zu lösen Niemand weiss so ganz genau, warum sie eigentlich floss? Aber ganz langsam und völlig gemächlich zieht sie los Talwärts dem schrecklich, schmalen Pfad entlang Der sich hier dem grossen Gebirge entlang schlang Dieses Gebirge, das jeder nur einfach Nase nennt Und die Rechte von der linken Gesichtshälfte trennt Die kleine Träne geboren aus einem unbekannten Frust Zog weiter, wohin, dies hat sie selbst nicht gewusst Unaufhaltsam zog sie immer weiter, einsam und allein Und in ihr spiegelte sich der grelle Sonnenschein Das Gebirge, es ging langsam aber sicher zu Ende Aber noch immer nahm der schmale Pfad keine Wende Im Gegenteil, da waren viele feine Haare im Weg Was haben diese wohl für einen geheimen Zweck? Kreuz und quer hat sich nun der Weg gewunden Und die Träne hat grosse Müdigkeit empfunden Sie begann sich zu fragen: "Warum bin ich hier?" Doch das Schicksal hatte kein Mitleid mit ihr Warum und Wieso, die Träne wurde nicht gescheiter Denn sie musste unaufhaltsam weiter - immer weiter Weiter musste sie sich durch die Barthaare zwängen Und blieb dann schliesslich am Mundwinkel hängen Rechts oder links, wer weiss es schon so genau Die Lippen waren trocken und auch ziemlich rau Ein wirklich sehr angenehmer Platz so warm und rot Doch dort fand die Träne schliesslich auch ihren Tod Die Sonne mit ihrer Glut hat ihr die Kraft genommen Und so ist die kleine Träne um ihr Leben gekommen Zurück blieb nur noch eine klebrige und salzige Spur Aber die wurde weggewischt von der Zunge, die darüber fuhr
Dies ist die Geschichte von der Träne, die nie herausfand Wieso sie eigentlich in dieser Welt da draussen bestand Unerkannt lebte und starb sie auch - im hellen Sonnenlicht Was bleibt ist nur noch ein müdes und trauriges Gesicht Doch auch das bleibt wahrscheinlich ewiglich unerkannt Genau gleich wie dieser Kummer, der einst bestand Und genau wie die Träne im Sonnenlicht verschwand So bleibt der Schmerz verborgen und ewiglich ungenannt
Und so endet die Geschichte, welche doch eben erst begann Aber trotzdem - nicht weit entfernt - ist der nächste Anfang Inhaltsverzeichnis
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GLITZERNDE AUGEN
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Es ist bereits zu Ende, was doch eben erst noch am Anfang war Da waren Deine glitzernden Augen und Dein langes blondes Haar Und beinahe ein Beschnuppern, ein sehr langsames Herantasten Wir liessen uns Zeit, denn wir hatten, überhaupt nichts zu hasten Doch bald standen diese Gefühle irgendwo dazwischen im Raum Was Du mir dann erzähltest, erschien mir wie ein böser Alptraum Denn da waren Drogen und da waren auch Schläge und Gewalt Und so etwas liess mich in der Vergangenheit noch niemals kalt Ich weiss nicht, warum Du mir Deine Geschichten erzähltest? Warum Du mich zum Adressaten von Deinem Vertrauen wähltest? Irgendwie hoffte ich dabei wahrscheinlich - es ist gar nicht wahr Doch da war Deine Geschichte und Dein langes, blondes Haar Ja, ich wollte es - aber ich konnte doch nicht einfach so gehen Ich werde diese Geschichte wohl niemals vollumfänglich verstehen Aber eigentlich war die Lösung gar nicht so furchtbar schwer Nach nur vier Wochen - keine Gewalt - keine Drogen mehr Weiss nicht wie, aber ich habe die richtigen Worte gefunden Nur diese Gefühle im leeren Raum sind nie verschwunden Alles richtig gemacht und doch ein so schlechtes Gewissen Denn ich habe Dich gewaltsam aus Deiner Gegenwart gerissen Deine Freunde, sie gehören nun nicht mehr zu Deinem Leben Und trotzdem habe ich Dir, gar keine Alternativen zu geben Sicher da war noch mehr, da war zum Beispiel mein Kuss Aber wirst Du neue Lebensinhalte finden bis zum Schluss? Wenn nicht, so muss ich sagen, mein Weg, er hat verloren Und die Selbstvorwürfe in mir sind schon längst geboren Weil ich mit Dir geschlafen habe - ich wollte es zwar nicht Aber da waren Deine glitzernden Augen und Dein Gesicht Es ist sicher nicht so, dass ich etwas bereue - es ist wahr Doch ich weiss, dass es falsch war - ich bin doch ein Narr Jeder der die Geschichte kennt, schaut mich bewundernd an Keine Drogen mehr in nur vier Wochen, ob dies wahr sein kann? Ich gehöre ja auch selbst zu denen, die das niemals verstehen Doch Du und ich, wir bewiesen, mit viel Glück kann es gehen Aber war es richtig? Habe ich Dir nicht doch mehr genommen Als Du von mir insgesamt für Deine Zukunft hast bekommen Ich zerstörte Dein Leben und habe Dir, kein anderes zu bieten Hoffe doch sehr Deine Zukunft besteht nicht nur aus Nieten Damit Du keinen Grund hast, zum alten Leben zurückzukehren Doch ich fürchte sehr, Du wirst Dich eines Tages beschweren
Du weisst und verstehst es sogar, jetzt muss ich gehen Trotzdem bereust Du nichts - ich kann es nicht verstehen Vier Wochen sind vorbei - was doch erst noch am Anfang war Da waren Deine glitzernden Augen, Dein langes, blondes Haar Inhaltsverzeichnis
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LEERE GLÄSER
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Zwischen den dreckigen Teller kann man sie deutlich sehen Diese Gläser, welche überall noch auf den Tischen stehen Ich wusste nicht, wie viel mir einst an ihnen ist gelegen Die bläulich Gefärbten, dies sind wohl meine Kollegen Dann sind die rosaroten Gläser alle meine Kolleginnen Überrascht stelle ich fest, es ist gar nichts mehr drinnen An einigen davon klebt noch etwas rötlicher Lippenstift Es ist schon merkwürdig, wie schwer es mich noch trifft Denn alle diese Gläser sind schon längst ausgetrunken Und die grelle Sonne ist hinter dem Horizont versunken Ich fühle, wie mein Herz vor Aufregung beginnt zu klopfen Auf dem Tisch liegen noch kaum sichtbare Flüssigkeitstropfen Sie wurden wohl beim Einschenken unaufachtsam verschüttet Von den Geheimnissen, welche einst so gut wurden behütet Wie alles geschah, ich weiss es heute selbst nicht mehr Denn ich sehe nur, die Gefässe vor mir, sie sind nun leer Stehen sie auch noch nebeneinander in Reih und Glied Genau so wie früher, trotzdem gibt es einen Unterschied Es fehlt hier nämlich an einem erfüllenden Inhalt Aber so ist der unaufhaltsame Lauf der Zeit halt Es ist nicht leicht, dies alles geschehen zu lassen Und ich versuche immer wieder, danach zu fassen Aber es scheint, meinen Finger ständig zu entgleiten Längst vorbei sind die alten, gemeinsamen Zeiten Ich weiss auch nicht, was ich dabei heute soll fühlen Versuchte doch, die Gläser wieder neu aufzufüllen Aber wenn zu dieser Tat der bedeutsame Inhalt fehlt Hat es keinen Wert, dass man sich noch weiter quält Man sollte dann einfach seinen eigenen Weg gehen Vielleicht wird man es später einmal verstehen Aber heute ist es noch überhaupt nicht leicht Und man ist nicht sicher, ob die Kraft ausreicht Aber eines Tages wird man nichts mehr vermissen Man wird sich treffen, ohne dann noch zu wissen Was früher einmal in diesen bunten Gläsern war Auch die Erinnerungen sind dann nicht mehr klar
Warum hilft mir keiner, die Gläser wieder aufzufüllen? Ist hier niemand mehr, so wie ich, voll von Gefühlen? Musste alles, was war, so furchtbar schnell erkalten Ich wollte doch wirklich noch etwas davon festhalten Leider ist es mir trotz aller Anstrengung nicht gelungen Dieses Labyrinth ist schon lange, viel zu verschlungen
Ich konnte den Ausgang nicht mehr finden Wenn zu viele Gemeinsamkeiten verschwinden Inhaltsverzeichnis
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DIE GROSSE FREIHEIT
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Freiheit - dieses Wort hat wirklich einen ganz wunderbaren Klang Und trotzdem danach suchen die Meisten ihr ganzes Leben lang Die Wenigen, die sie fanden, werden sich bestimmt nie beklagen Ich hörte zwar so manchen furchtbar klugen Kopf schon sagen Die wirkliche Freiheit, sie steckt doch in jedem Einzelnen drin Nämlich in seiner Seele, in seinem Herz und in seinem Hirn Denn die Gedanken- und die Redefreiheit ist das höchste Gut Welches in jedem einzelnen Menschen ganz persönlich ruht Ich gebe es auch zu, diese Worte tönen wirklich wunderbar Aber ganz ehrlich gesagt, ist es denn wirklich auch wahr? Weil wo bleiben alle die Menschen, die nicht dazu gehören Und das schöne Idealbild der Allgemeinheit doch nur stören Die Menschen deren Körper nicht gehorcht den eigenen Befehlen Sie haben doch, in dieser Gesellschaft nicht sehr viel zu wählen Dabei wollen sie doch nicht viel, sie wären nur gerne normal Denn davon träumen sie - normal zu sein - doch nur ein Mal Und für diesen Traum würden sie wahrscheinlich alles geben Bestimmt auch einige Jahre von ihrem sehr kostbaren Leben Sicher, auch sie können besitzen ihre persönlichen Gedanken Aber was nützen diese, gibt es daneben so enge Schranken Ihre Freiheit bedeutet etwas anderes, sie suchen sie schon lang Und vielleicht hat für sie das Wort noch einen süsseren Klang Vielleicht weil sich ihr persönlicher Traum niemals wird erfüllen Denn es ist doch sehr hart, diese Aussichtslosigkeit zu fühlen Doch die meisten Träume und Wünsche leben lange und auch still Aber was für eine Freiheit, wenn die Hand nicht tut, was das Hirn will Diese Happyends und Wunder, die das Fernsehen so oft verspricht Es soll nur niemand behaupten, es gibt sie hier in unseren Leben nicht Weil sie längst genug haben vom Auslachen und von ihrer Hilflosigkeit Sie träumen doch von einem so ganz anderen Leben und der Freiheit Und diese Menschen wollen aus ihren Träumen nicht mehr erwachen Wissen sie auch ganz genau, dass sie sich nur etwas vormachen Doch aus welchen anderen Quellen, sollen sie ihre Kraft nehmen Wenn ihre persönlichen Körpergebrechen ihre Freiheiten lähmen Und ihre Wahrheiten doch nur die geheime innere Stimme spricht Aber darüber reden die klugen Köpfe in der Wissenschaft nicht Weil sie doch nicht wissen, wie man sich auf dieser Welt schämt Wenn die Behinderung nicht nur sich sondern auch die Anderen lähmt
Die Freiheit steckt ganz bestimmt nicht in einem drin Nicht in der Seele, nicht im Herzen oder nur im Hirn Für mich persönlich komme ich einfach zum Schluss Dass die Freiheit doch nichts anderes ist als Luxus Inhaltsverzeichnis
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BEGEGNUNG DER ZWEITEN ART
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Ich beobachtete wie ein Spieler den Ball verlor Und wenig später schreit die begeisterte Menge Tor Doch mein grosses Interesse wird vom Spiel abgelenkt Meine Augen zur Seite gerichtet, unauffällig gesenkt Und so beobachte ich eine Frau, sie sitzt neben mir Merkwürdig, weil sie ist scheinbar ganz alleine hier Es überraschte mich, weil das Spiel kein Knüller war Sie hatte wunderbares braunes und gelocktes Haar Die Lippen mit leuchtendem Lippenstift nachgezogen Ihr Rücken beim Sitzen ganz leicht nach vorne gebogen Die Augen und die Wangen etwas zu stark geschminkt Unten hat der Angreifer seinen Verteidiger wieder gelinkt Einen kurzen Blick auf die Anzeigetafel und den Spielstand Eins zu drei für den Gast etwas überraschend, wie ich fand Doch bis zum Ende des Spiels dauert es noch ein langes Stück Mein heimlicher Blick kehrt zu der Dame rechts von mir zurück Ich frage mich schon lange, wer ist sie nur - diese Frau? Irgendwo her kenne ich sie, ich weiss es ganz genau Woher? Beginne verzweifelt, in Erinnerungen zu wühlen Mir ist, als ob ich ihren scheuen Blick auf mir kann fühlen So als würde sie mich ebenfalls von irgendwo her kennen Und doch gelingt es ihr auch nicht, meinen Namen zu nennen Unten auf dem Spielfeld rennen die Spieler hin und her Aber das Spielgeschehen interessiert sie nicht allzu sehr Da sass sie neben mir in ihrem dunklen und engen Kleid Und ich wüsste doch wirklich sehr gerne Bescheid Welche Erinnerungen sie und ich gemeinsam führen Einige Bewegungen lassen unsere Körper sich berühren Die folgenden Minuten sind recht langsam zerronnen Das Spiel wurde trotz schlechter Leistung gewonnen Die ansehnliche Menge rings um mich, sie freute sich Sie war genau wie ich nicht besonders überschwänglich
Alle drängten hinaus, als wäre der Teufel hinter ihnen her Ich wartete noch und die Halle war schon beinahe leer Und auch sie ist ganz einfach ruhig sitzen geblieben Überhaupt keine Eile hat sie von hier fortgetrieben Ich sagte zu ihr noch kurz, Tschau, beim Aufstehen Sie schaute mich an und sagte, Tschüss, beim Gehen
Ich war bei der Türe dann der Letzte Welcher sich durch die Türe quetschte Inhaltsverzeichnis
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INTIME KINDER
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Es war einmal ein Winter und es war ziemlich nass und kalt Zwei gemeinsame Fussspuren irgendwo einsam im Wald Ein sehr geeigneter Ort, um vertraute Gespräche zu führen Stille und Ruhe, ich konnte Deinen warmen Körper spüren Die Äste der Tannen waren schwer und Schnee behangen Was dann geschah es, war alles plötzlich schnell gegangen Die letzten Hemmungen und Unsicherheiten verschwanden Als sich unsere Lippen zusammen pressten und fanden Konnte es denn tatsächlich sein, ich küsste Dich? Nun ja, eigentlich eher umgekehrt, ich bin ehrlich Weil Du hast mich einfach ohne Vorwarnung überrannt Sich so intensiv zu küssen, war mir bisher nicht bekannt Denn dies war für mich wahrscheinlich das allererste Mal Aber in diesem Augenblick liessest Du mir keine Wahl Nein - nein, nicht etwa, dass ich darüber unglücklich war Doch ich war halt schon ein etwas tollpatschiger Narr Aber ich habe Dir ganz tief in Deine Augen geschaut Und auf die tiefsten Gefühle tief in mir Innen vertraut Begann Dich, zärtlich und heftig an mich zu drücken Und strich mit den Händen sanft über Deinen Rücken Meine Lippen suchten, immer von neuem, die Deinen Glücklich und trotzdem war mir irgendwie zum Weinen Ganz heimlich musste ich eine einzelne Träne verdrücken Meine Hände bewegten sich weiter über Deinen Rücken Und Eine wohltuende Wärme machte sich tief in mir breit Aber auch eine seltsame Form von Hilf- und Ratlosigkeit Weil ich war damals noch so voller Naivität und so klein Aber wir Beide waren in diesem Augenblick ganz allein Und die Zweifel und Hemmungen haben wir fortgetrieben Fragte mich, wie konnte ein Mädchen wie Du, mich lieben? Diese Frage habe ich mir später noch sehr oft gestellt Dieser Ort und diese Zeit so völlig zufällig ausgewählt Um erste intime Erfahrungen mit einem Mädchen zu machen Schüchterne Ernsthaftigkeit und doch viel mehr zum Lachen
Diese Geschichte ist schon lange her, ich habe vergessen Wie oft sich unsere Lippen damals noch zusammen pressten Wir waren verliebt und waren gleichzeitig am Ausprobieren Und so schön wird es nie mehr, dies lernte ich zu kapieren Behaupte nicht, dass es später nicht mehr schön gewesen wäre Nein, nein, es ist ganz bestimmt nicht so, dass ich mich beschwere Doch es war schon etwas ganz besonderes an diesem Tag im Wald Wie soll ich es beschreiben, etwas Schönes und Einzigartiges halt Denn selbst wenn ich heute noch meine Gedanken still darauf lenke Muss ich mit einem glücklichen, verträumten Lächeln daran denken Inhaltsverzeichnis
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KALTE HAND
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Eine wild zusammen gewürfelte Gruppe und doch Barrieren überwunden Auf seltsame Art und Weise haben wir sehr schnell zusammen gefunden Auf den Schwingen des unbeschreiblichen Glücks haben wir uns gewogen Hand in Hand sind wir glücklich durch eine staunende kleine Stadt gezogen In einer frohen, gelösten und lockeren Atmosphäre, wunderbar zu ertragen "Deine Hand fühlt sich gar nicht kalt an," hörte ich sie neben mir sagen Meine Antwort war ein sehr rasches und ziemlich Routiniertes, Nein Aber heimlich bei mir dachte ich, warum sollte sie auch kalt sein? Sie hatte keine Ahnung, wie schmerzlich mich dieser Satz berührt Kurz davor haben wir ein Gespräch über meine Behinderung geführt Deshalb kommt sie auf diese Idee, sie hat es nicht böse gemeint Trotzdem habe ich das Gefühl, dass meine Hand nun kalt erscheint Genau diese Gedanken habe ich, wenn mich die Anderen anstarren Wenn meine hilflosen Bewegungen wieder etwas tollpatschig waren Und die Menschen stumm eine Berührung mit meiner Hand scheuen Dann bin ich schon etwas traurig, habe wenige Gründe zum Freuen In diesen Augenblicken schaue ich dann irritiert auf meine linke Hand Geliebt von meinem Herzen, und manchmal gehasst vom Verstand Ohne diese Blicke und dieses Lachen würde so vieles besser gehen Manchmal habe ich grosse Angst, im Leben nicht mehr zu bestehen Möchte schreien, meine Hand, mein Arm sind aus Fleisch und Blut Glaubt mir endlich, ich weiss es doch wirklich selbst sehr gut
Ich schaue in ihre Augen, wie die Sonnenstrahlen in sie scheint Deine Hand fühlt sich nicht kalt an, wie hast Du dies gemeint? Bestimmt nicht böse, deshalb will ich mich auch nicht beschweren Und mit ein paar wenigen Worten versuche ich, es Dir zu erklären "Meine Hand ist ganz normal, ich kann sie nur nicht so gut bewegen Euch normalen Menschen bin ich mit meiner Behinderung unterlegen Sie hat zu diesem Thema nichts mehr gesagt, sie hat nur kurz genickt Und mir zuerst in die Augen und anschliessend auf meine Hand geblickt Aber ich glaube, sie hatte mein kurzes Zögern von vorher schon bemerkt Dies hat sie wohl auch in ihrem plötzlichen Themenwechsel bestärkt Für mich ist das Thema immer aktuell, aber dies kann sie nicht wissen Und über meine Behinderung zu sprechen, habe ich mich nie gerissen
So sind wir einfach weiter durch die engen Strassen gezogen, Hand in Hand Und eines weiss ich sicher, kalte Hände hatte in diesem Moment niemand Aber ich brauchte einige Minuten, um zurückzukehren in den Sonnenschein War trotzdem froh, weil dies Augenblicke sind, da fühlt man sich nicht allein Ich könnte wahrscheinlich für die nächsten Stunden immer so weitergehen Habe sie dabei stumm angelächelt und von der rechten Seite her angesehen Und sie hat mich ganz fröhlich angelacht und ganz bestimmt nicht ausgelacht Vielleicht hat mich genau diese Erfahrung wieder ein Stück vorwärts gebracht Inhaltsverzeichnis
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WARMES NEST
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Eines schönes Tages lernte ich Dich an einem Fest kennen Man kann unser Treffen ruhig einen grossen Zufall nennen Von diesem Augenblick an, hat man uns oft zusammen gesehen Und ich wusste ganz genau, was auch immer wird geschehen Jeder meiner Schritte wird mir in Zukunft viel besser glücken Aus lauter Liebe wuchsen uns Flügel auf unseren Rücken Wir hoben ab und flogen dann fort in den Sonnenschein Auf direktem Weg in unseren siebten Himmel hinein Dort bauten wir uns gemeinsam ein schönes Nest Sicher vor allen Gefahren, bequem aber auch fest Einfach einen Ort, um Dich in meiner Nähe zu spüren Und vertraute und ehrliche Gespräche mit Dir zu führen In unserem Nest fühlten wir uns immer wohl und geborgen Aber oftmals, wenn Du nicht da warst, machte ich mir Sorgen Und trotzdem lasse ich Dich immer wieder alleine fortfliegen Über meine heimlichen Bedenken habe ich nur geschwiegen Denn Du brauchtest, so wie ich ja auch, Dein Stück der Freiheit Neben der wohltuende Wärme und der schützenden Geborgenheit Weil unser Heim soll ein Nest und niemals ein goldener Käfig sein So fliegen wir manchmal auf getrenntem Wege in den Sonnenschein Und wir werden uns diese Ausflüge gegenseitig niemals verwehren Weil wir wissen beide genau, wir werden immer wieder zurückkehren Trotzdem wenn Du Dich in unserem Nest zärtlich an mich schmiegst Weiss ich doch genau, dass Du wenig später wieder alleine fortfliegst Und es geschieht sogar manchmal, da schicke ich Dich von mir fort Weil ich Dich kenne und ich genau weiss, Du fühlst Dich sehr wohl dort Würde ich mich Dir aufzwängen und immer mit Dir dorthin mitkommen Hätte ich Dir damit ein grosser Teil Deiner Persönlichkeit weggenommen Aus dem Grund müssen wir auch manchmal auf getrennten Wegen gehen Auch wenn dabei in meinem Herzen nicht nur gute Gefühle bestehen Weil ich Dich in diesen Momenten in unserem Nest so sehr vermisse Aber Du sollst zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort genau wissen Verletzt Du Dich irgendwie an Deinem Flügel, dann rufe nach mir Und ich werde Dich suchen und bin, wo Du auch bist, sofort bei Dir Um Dir in Deiner misslichen Lage zu helfen mit meiner ganzen Kraft Welche tiefe Schlucht durch Deine Probleme in Dir auch immer klafft Ich werde wirklich alles tun, um diesen Graben wieder zu schliessen Damit Du auch wieder bessere und angenehmere Zeiten kannst geniessen
Weil wenn ich Dich manchmal auch aus meiner Nähe lasse Heisst das sicher noch lange nicht, dass ich Dich nicht liebe Glaube bitte nicht, dass ich Dich damit von mir schiebe Weil so oft ich Dich loslasse, auch wieder nach Dir fasse
Ich weiss, Du würdest mich auch niemals irgendwo anbinden Vielleicht ist dies der Grund, warum wir uns immer finden? Inhaltsverzeichnis
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KARIN, DIE PUPPE
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Es war einmal eine Stoffpuppe, sie wurde Karin genannt Den meisten Menschen hier ist sie wirklich gut bekannt Ihr Aussehen war nicht besonders hübsch eher schlicht Sie stand sehr oft im Abseits, der Mittelpunkt war sie nicht Karin lebt in einem grossen und voll gestopften Wandkasten Aber wenn irgendwelche Probleme die Menschen belasten In diesen Augenblicken ist ihre Zeit dann endlich gekommen Weil dann wird sie aus dem alten Wandkasten genommen Und ins Zentrum gestellt, die Rollen sind plötzlich vertauscht Karin ist eine ziemlich ruhige, kleine Stoffpuppe und sie lauscht Aufmerksam, wenn Menschen von ihren Problemen erzählen Anschliessend versucht sie, ihre Antworten gut auszuwählen Damit sich für die schweren Probleme auch Lösungen finden Und der Kummer und das grosse Leid schnell verschwinden Diese kleinen Augenblicke geben dem Leben von Karin Einen wichtigen und manchmal auch einen fröhlichen Sinn Denn Karin hilft den Menschen wirklich gerne, wenn sie kann Sie hat Antworten auf Probleme, die das Leben ersann Weil sie hat gelernt, mit Kummer und Leid umzugehen Sie weiss, wie man zuhört, und kann vieles verstehen In schweren Zeiten ist sie beliebt, dies wird daran liegen Dass sie immer Zeit hat und sie ist auch sehr verschwiegen Die meisten Menschen schenken ihren Worten vertrauen Und lassen sie in Gesprächen tief in ihre Seelen schauen Karin ist oftmals erstaunt von den Dingen, die sie sieht Weil sie wusste nicht einmal, dass dies alles geschieht Aber sie blieb immer ruhig, um dann das Richtige zu sagen Wenn die Menschen sie in schlechten Zeiten um Rat fragen Und dies tun sie oft, weil die Worte von Karin geben viel Mut Deshalb tun sie auch irgendwo zwischen Leib und Seele gut Doch werden die Zeiten wieder besser, vergeht auch ihre Zeit Dann steckt man sie zurück in den Kasten und in die Dunkelheit
Es gehört bestimmt nicht zum Wesen von Karin zu lügen Und trotzdem würde sie Eines sicher niemals anfügen Dass auch sie eine Schulter nötig hat, zum Anschmiegen Weil auch sie würde manchmal gerne etwas bequemer liegen Denn in ihrem Wandkasten ist es sehr dunkel und unheimlich Von Liebe und Wärme träumt sie in der Regel nur heimlich
Und wenn sie nicht gestorben ist, wird sie heute noch leben Und in dunklen, schweren Zeiten ihre Wahrheiten von sich geben Inhaltsverzeichnis
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1001 NACHT
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Sultane und Wesire in schmucken Stoffen gekleidet Und jedes Detail nach bestem Gewissen vorbereitet Wie es sich schliesslich auch gehört für 1001 Nacht Aber irgendetwas habe ich bestimmt falsch gemacht Denn wenn ich mich im Raum beginne umzuschauen Dann fällt es mir schwer, meinen Augen zu trauen Nein, so etwas habe ich wirklich noch nie erlebt Es kommt mir vor, als wären hier alle festgeklebt Wie ein Werbespot für Schnellkleber im Fernsehen Ich gebe es zu, ich kann es nicht wirklich verstehen Die Menschen lernten sich schon vor Jahren kennen Trotzdem kommt es mir vor, als ob sie Welten trennen Diese befremdende Stimmung ist, kaum noch zu ertragen Haben sich alle diese Menschen, denn so wenig zu sagen Ob sie es merken, wenn sich einer wie ich davon schleicht Wahrscheinlich nicht höchsten einer oder zwei vielleicht Aber ehrlich gesagt, hier habe ich gar nichts mehr verloren Zwischen Menschen, die ich schätzen lernte, habe ich gefroren Ich kenne doch so viele ihrer Gefühle und auch ihre Gedanken Und jetzt trennen uns hier alle scheinbar Meter hohe Schranken Welcher unübersehbare Unterschied zu unserer Vergangenheit Weil damals gab es noch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit Jetzt bestehen hier nur noch diese Kälte und ein Gefühl der Steife Und es hat auch keinen Sinn, wenn ich mich jetzt noch kneife Weil ich trotzdem nicht erwache aus dem unglaublichen Traum Den ich hier erblicke, wenn ich mich umsehe in diesem Raum Es überraschte mich, und ich war dazu noch nicht bereit Ich übersah in letzter Zeit wohl mehr als eine Kleinigkeit Doch vielleicht habe ich es auch gar nicht wissen wollen Auf der anderen Seite, was hätte ich auch noch tun sollen Wenn keine Interessen mehr für nähere Kontakte bestehen Dann soll man dies wirklich auch akzeptieren und einsehen Weil dies ist mehr als ein Traum, es ist unsere neue Realität Nur ich erkannte es auch diesmal wieder einmal viel zu spät
Ich bin etwas enttäuscht, wie völlig normal ihnen alles erscheint Natürlich ist die verletzende Entfremdung nicht persönlich gemeint Eine Sackgasse, sie haben die Kontakte untereinander aufgegeben Allerdings fürchte ich, sie werden es bereuen im späteren Leben Ich wünsche jedoch sehr für sie alle, dass ich nicht recht habe Denn solche Erinnerungen sind manchmal eine schreckliche Gabe
Wäre ich doch ein echter Sultan in einem fernen orientalischen Land Denn dann würde ich nur mein Zauberstab schwingen mit der Hand Und schon wäre ich einfach verschwunden und unsichtbar an Gestalt Aber hier muss ich zu Fuss gehen und dabei ist es leider oft sehr kalt Inhaltsverzeichnis
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GESPENSTER
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Durch das Mondlicht dringen leise Geigenklänge Füllen diese Stille, und ziehen durch die Gänge Im Wohnzimmer tanzen zwei bleiche Gespenster Und der Wind klopft ganz leise an die Fenster
Wo früher ein Feuer brannte steht heute ein Radiator Und die alten Ziehbrücke wich einem automatischen Tor Räume, die heute die Sauna und ein Hallenbad verwahren Erinnern sich genau daran, als sie noch edle Rossställe waren Der ehemalige Wassergraben, nur ein Parkplatz blieb davon In jedem Raum steht in der Ecke nun ein schrilles Telefon Veraltet sind längst Pergament und das umständliche Siegel Kanonenkugel zerstörten einst einige Mauern und die Ziegel Heute hinterlassen noch Immobilienspekulationen ihre Spuren Lange Zeit ist vergangen, seit die Leute noch mit Kutschen fuhren Und Kerzen anzündeten, um in der Dunkelheit auch etwas zu sehen Heute besitzt man jede Mengen Glühbirnen, die automatisch angehen Wo einst die hübschen alten Ölgemälde im Mondschein schimmerten Steht ein Fernseher, wo digitale Bilder über den Bildschirm flimmern Die Bewohner treffen sich manchmal am Abend zu einem 'Small Talk' Moderne Tapeten verbergen an den Wänden den abbröckelten Kalk Vor den Fenstern klappert nicht, wie es früher war, ein Fensterladen Im vergangenen Jahrhundert, da veränderten sich die meisten Fassaden
Nur um Mitternacht, da tanzen die Gespenster noch immer Über die Stühle und die Tische im geräumigen Wohnzimmer Nichts nützen Spiegel, weil sich selber sieht man doch nicht Und gegen Blindheit nützt sicher auch kein elektrisches Licht Das alte Schloss wurde schon längst zu einem grossen Haus Aber die Unterschiede zu seiner Vergangenheit blieben aus Die grosse Chance zu lernen, hat der Mensch leider verpasst Ein Jahrhundert ist vergangen in aller Ruhe und ohne Hast Aber viele Veränderungen gab es in dieser Zeit trotzdem nicht Die Menschen auf der Welt tragen dasselbe bleiche Gesicht Die Erde hat sich unaufhaltsam Stück für Stück weiter gedreht Dass der Mensch von heute immer noch am gleichen Ort steht Liegt nur daran, dass er immer nur redet und niemals zuhört Und selten etwas nützt, sondern leider hier meistens nur stört
Durch das fahle Mondlicht dringen leise Geigenklänge Füllen die Stille, und ziehen durch die einsamen Gänge Im Wohnzimmer tanzen immer noch bleiche Gespenster Und der Wind klopft ganz leise an die grossen Fenster Inhaltsverzeichnis
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BEGEGNUNG DER DRITTEN ART
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Warte auf einen Kollegen, bei hereinbrechender Nacht Es ist diese Zeit, wo das Leben in einer Stadt erwacht Elektrische Lichter und Neonröhren ersetzen die Sterne Und ein grünes Tram taucht lautlos auf aus der Ferne Die Scheiben, welche das Licht der Beleuchtung knicken Lassen die Gesichter schlecht erkennen, die hinausblicken Trotzdem erscheint mir, als ob alle Gesichter mich anschauen Plötzlich glaube ich, meinen Augen nicht mehr ganz zu trauen Habe ich zwischen diesen Gesichtern nicht auch Deines erkannt? Am liebsten wäre ich schnell hinter diesem Tram nachgerannt Doch als es hinter der nächsten grossen Kurve verschwindet Wird mir klar, dass sich Dein Gesicht nicht im Tram befindet
Gestern war ich an einem Konzert in einem riesigen Menschenhaufen Ich hatte Durst und wollte mir deshalb rasch am Stand ein Getränk kaufen Überall eine riesige Menge Menschen auf dem WC und in den Gängen Welche sich alle scheinbar ziellos in irgendeine Richtung drängen Endlich hatte ich bezahlt und mein bestelltes Getränk in der Hand Was soll denn das? Ist das etwa ein Streich von meinem Verstand? Denn dort weit vorne glaube ich, Deinen Haarschopf zu erkennen Am liebsten würde ich durch die Menschenmenge zu Dir hinrennen Doch ich weiss ganz genau, ich muss nicht an diesen Ort gehen Weil ich würde trotzdem nur eine mir fremde Person dort sehen Es sind Bilder aus der Erinnerung, die mein Augenlicht stören Also gehe ich zurück in den Saal, um dort das Konzert zu hören
Endlich Feierabend, in der warmen Küche zu Abend gegessen Und anschliessend gemütlich vor den Fernseher gesessen Bei einem Wechsel von einem zu einem anderen Fernsehkanal Erblickte ich, völlig überraschend für mich, Dich auf einmal Dasselbe Gesicht und dieselbe Haare genau wie Du es hast Habe ich in letzter Zeit doch vielleicht etwas Wichtiges verpasst Denn ich wusste gar nicht, dass Du auch Schauspielerin bist Über was rede ich, jeder weiss doch, dass dies nicht wahr ist
Wo immer ich Dich auch sehe Es hat keinen Sinn, wenn ich zu Dir gehe Denn ich weiss genau, es ist nur Schein Fantasie, Du kannst es gar nicht sein Die Begründung dafür ist nicht schwer Denn Du lebst leider nicht mehr
Trotzdem - Dich in meiner Einbildung zu sehen Hat mir sehr geholfen, etwas leichter zu verstehen Dass Du über Deinen Tod hinaus weiterlebst Und immer noch nach Deinen Prinzipien strebst Inhaltsverzeichnis
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BALLADE VOM WAHREN WEG
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Auf der Suche nach einer Abkürzung verliess ein kleines Kind den Asphalt Und so geschah es, dass dieser Junge sich schrecklich verirrte im Wald Mitten im finsteren Wald blieb er plötzlich an einer Weggabelung stehen Zwei Pfade führten in verschiedene Richtungen, einer war kaum zu sehen Der andere Weg nach rechts war breit, gut hergerichtet und im Sonnenlicht Der zweite Pfad war schmal, verschlungen und führte direkt in das Dickicht Auf der breiten Strasse waren zahlreiche Fussspuren und Grillplätze zu sehen Der andere Weg schien eher beschwerlich und nur mit viel Mühe zu begehen Und an den Ästen mit den kleinen Dornen kann man sich leicht verwunden Den sonnigen Pfad hätte jeder bestimmt vollkommen problemlos überwunden Nicht so der verschlungen Weg, weil dort waren, einige Blutspuren zu sehen Die Entscheidung fällt dem Jungen schwer, welchen Weg soll er nur gehen? Den Verschlungenen und Beschwerlichen oder doch lieber den Sonnigen dort Sie führen beide scheinbar nicht zum selben Ziel auch nicht an den gleichen Ort Welcher führt aber an sein persönliches Ziel, wie soll der Junge, dies wissen? Er könnte seinem Gewissen folgen, doch dann wären seine Kleider zerrissen Oder er könnte auch weiter auf dem Pfad des geringsten Widerstandes gehen Doch dann würde er vielleicht sein persönliches Ziel niemals vor sich sehen Er hat sich verirrt, er steht ruhelos hier und ist in seiner Unsicherheit gefangen Niemand kann ihm einen Rat geben, denn niemand ist beide Pfade gegangen Alle haben immer nur den Einen oder den anderen Weg für sich selbst gewählt Es ist so schwer zu entscheiden, welches Argument in diesem Moment zählt
Deshalb konnte er sich für keinen der beiden Wege richtig entscheiden Er fühlte, der schmale Weg war richtig, aber er wollte doch nicht leiden Und es ist bestimmt nicht einfach, sich für diesen Weg zu überwinden Aber jeder muss seinen Pfad ganz persönlich für sich alleine finden Und weil der Junge nicht wusste, welchen von den Pfaden er sollte gehen Führte sein eigener Weg nicht weiter, er blieb wie angewurzelt dort stehen Und mit den Jahren wurde der kleine Junge erwachsen, und er wurde alt Die Leute kannten ihn unter dem Namen, den freundlichen Geist vom Wald Immer wenn jemand bei einem Spaziergang zu der Kreuzung kommt, spricht er Fürchte Dich vor Deinem eigenen Spiegelbild, es ist Dein strengster Richter Und tanzten dann zwischen den Blätter der Bäume die glitzernden Lichter Konnte man den freundlichen Geist zusammen mit dem Wind flüstern hören Lass Dich von den unüberlegten Sprüchen der anderen doch nicht stören Du musst Dich ganz alleine für einen der beiden Wege hier entscheiden Weil unter einer falschen Wahl wirst Du in den nächsten Jahren leiden Deshalb folge nicht Deinem Verstand sondern Deinem Herz und Gewissen Wird Deine weiche Haut auch zerstochen und die Kleidung dabei zerrissen Es ist immer noch sehr viel besser, als an einer Kreuzung stehen zu bleiben Und sich während vieler Jahren nur unentschlossen die Hände zu reiben
Also gehe vorwärts, um Deinen eigenen Weg zu finden Damit Zweifel und Hoffnungslosigkeit verschwinden Inhaltsverzeichnis
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SUCHE NACH EINER NEUEN WELT
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Sage mir, wer sollte uns eigentlich noch rühmen? Laute Musik und in merkwürdige skurrilen Kostümen Fragende und sehr weit aufgerissene Pupillen Und nicht immer ganz Herr von unserem Willen Neues ausprobieren, ein Leben voller Exzesse Und doch der nächste Schritt unserer Genese Orientierungslos, überfordert vom eigenen Leben So voller Fragen und doch keine Antwort zu geben Der ständige Zwang, sich profilieren zu müssen Immer bereit eine schillernde Welt zu begrüssen Beherrscht von Anforderungen und auch vom Geld Ständig auf der Suche nach einer anderen Welt Kampf gegen Vorschriften und doch voller Tabus Piercing, Tätowierungen, Branding und Lulus Werte verloren, und noch keine Neuen gefunden Vorgegebene Zielen, die Eigenen verschwunden Vollgepumpt mit Inputs und mit weisen Pillen Die doch niemals helfen, aber auch nicht killen Von der Welt überfordert und sich dafür schämen Angst, die Erde mit ihren Problemen zu übernehmen Welche von den vergangenen Generationen herrühren Sackgassen, ohne Strassen, die wieder herausführen Auf der anderen Seite noch nicht richtig danach gesucht In Mögliche und unmögliche Extreme führt jede Flucht Furcht, mit den persönlichen Sorgen alleine zu stehen Weil man in der sauberen Welt keine Flecken darf sehen Viele Gesprächspartner, welche einem niemals zuhören Das versteckte Gefühl in der Seele, hier bloss zu stören Die grosse Welt für ein junges Herz nicht mehr fassbar Ist das schon alles, was ist denn eigentlich noch wahr?
Was wir brauchen ist eine führende Hand Eine mit viel Herz und auch viel Verstand Jemand, der das Leben auf der Welt versteht Und weiss, wie man mit den Problemen umgeht Aber wem kann dies eigentlich noch gelingen? Wer kann die nötigen Voraussetzungen mitbringen Weil wir doch hier alle irgendwie überfordert sind Ganz egal, ob als Erwachsener oder noch als Kind Wer weiss denn noch, wie es weiter gehen sollte Es ist dieser Fortschritt, der uns längst überrollte Inhaltsverzeichnis
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DER GURU RUFT
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Mir scheint, als hörte ich Dich früher niemals so laut lachen Es ist, als ob Du beginnst, aus einem Schlaf zu erwachen Diese plötzliche Wandlung, es muss etwas Mystisches sein Gestern erzähltest Du mir glücklich, Du bist nicht mehr allein Du trafst einen guten Menschen, der alle Lösungen kennt Und welcher sich völlig zu Recht einen grossen Meister nennt Dein leuchtendes Strahlen in Deinen Augen freut mich wirklich Doch bei genauerem Hinsehen überkommen die Zweifel mich Weil ich schaue nur zu und sehe Dich ganz langsam entgleiten Es hat keinen Sinn, mit Dir über diese Angelegenheit zu streiten Ich gebe auch zu, er hat immer die richtigen Worte zur Hand Doch ich bitte Dich benütze doch nur einmal Deinen Verstand Es ist mir doch wirklich völlig egal, mit wem Du ins Bett gehst Aber das Du den Schwindel nicht durchschaust und verstehst Höre nur dieses eine Mal auf einen guten Freund, auf mich Lasse ihm doch niemals die freie Verfügbarkeit über Dich Folge dem so verlockenden Ruf nicht, wenn Dein Guru ruft Weil was er Dir erzählt, ist wirklich nur abgestandene Luft Du sagst mit strahlenden Augen, fühle sie, diese Harmonie Eine solche Wärme und Geborgenheit erlebtest Du noch nie Und ich sehe Deine Brüder und Schwester ja auch lachen Deshalb muss man für den Meister doch nicht alles machen Denn er kann Dir das Seelenheil bestimmt niemals bringen Nein, dies kann ihm unter gar keinen Umständen gelingen Weil Dein Seelenheil musst Du ganz alleine für Dich finden Es hat keinen Sinn, Dich so sehr an seine Worte zu binden Sind seine Worte auch in sehr geschickte Sätze verpackt Zeige ihm trotzdem Deine geschundene Seele nicht nackt Denn er wird Dich eines fernen Tages schändlich ausnützen Glaube mir, Du kannst Dich nur für kurze Zeit auf ihn stützen Und dann wird er Dich wie eine heisse Kartoffel fallen lassen Aber ich merke, wie Dein Realitätssinn beginnt zu verblassen Und Ich fürchte, Du hörst mich schon sehr lange nicht mehr Die schlauen Worte Deines Gurus wiegen schon viel zu schwer Mir scheint, er hat seine versteckten, falschen Ziele bereits erreicht Weil Du warst für diesen kalten und böigen Wind einfach zu leicht Er hat Dich mit einem geschickten Schachzug mit sich fortgetragen Was soll ich Dir zu diesem gemeinen Spiel jetzt auch noch sagen
Meine Worte holen Dich auch nicht mehr zurück Du glaubst, Du findest mit ihm Dein grosses Glück Ich spüre, wie meine Hände nur noch ins Leere fassen Und sehe ein Bild von einem geliebten Menschen verblassen Inhaltsverzeichnis
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KORB VOLLER GEFÜHLE
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Gegen Mitternacht unter dem Dach angelehnt an einem Balken In mir die Geborgenheit und die Schwerelosigkeit eines Falken Einer dieser unerklärlichen Tage, die man so selten darf erleben Stille, wohltuende Harmonie und das schöne Gefühl zu schweben Links und rechts viele Menschen, welche miteinander tuscheln Müde und erschöpfte Körper, welche sich aneinander kuscheln Ich kenne die Namen und auch die Geschichten von so vielen Der Tag beginnt sich, vor meinen Augen nochmals abzuspielen Viele Bilder davon werden wohl niemals wieder ganz verblassen Aber das Meiste kann ich überhaupt noch nicht richtig erfassen Ich fühle so viele verwirrende, fremde Gefühle ganz tief in mir Doch das Wesentliche geschah wohl heute ungefähr gegen vier Waren gut vorbereitet und doch überfordert, so kam es zum Krach Ein Blitzschlag löste das Gewitter, war zwischen stark und schwach Worte, Tränen und laute hysterische Schreie drangen an mein Ohr Pure Ohnmächtigkeit, so dass einem das Blut in den Adern gefror Nur auf und davon, auf der Flucht mit Tränen in meinem Gesicht Zurückgekehrt an denselben Ort aus einem Gefühl der Pflicht Da bestanden viele verwirrende, fremde Gefühle ganz tief in mir Aber eines wusste ich ganz genau mein Platz bleibt heute hier Und keines der so intensiven Gefühle ist mir dabei entgangen Ich bin ziemlich tief gefallen, und ich wurde wortlos aufgefangen Und gleichzeitig habe ich dabei andere Stürzende festgehalten Habe plötzlich das ganz ehrliche Bedürfnis, die Hände zu falten Um ein Gebet in den Himmel zu senden, um dafür zu danken Denn an diesem Tag zerbrachen in mir so viele Schranken Während den letzten drei Tagen ist niemals Ruhe eingekehrt Es war trotzdem schön, habe mich deswegen nicht beschwert Jetzt ist zum ersten Mal Zeit, einige Augenblicke zu versäumen Da reisst mich eine gut vertraute Stimme aus meinen Träumen "Was ist mit Dir heute denn nur geschehen Ich habe Dich noch nie so strahlen gesehen" Ohne Antwort schaue ich sie nur leise lächelnd an Weil man solche Gefühle doch nicht beschreiben kann Nur eine leichte Berührung und ein kurzes Kopfnicken Und dieser Genuss in verständnisvolle Augen zu blicken Ich wusste genau, ich werde es niemals wieder vergessen Einfach den Worten gelauscht und glücklich dagesessen Die Stimmen um mich sind langsam aber sicher verklungen Zum Abschluss haben wir noch ein stilles Lied gesungen Anschliessend haben wir uns müde und erschöpft aufgemacht Und dann blieb nur noch die Stille und die Ruhe einer Nacht Trotzdem habe ich noch sehr lange keinen Schlaf gefunden Weil viel zu viele Gefühle habe ich noch in mir empfunden Inhaltsverzeichnis
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VERFÜHRT UND VERLOREN
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Ich sehe ein ganz kleines Lächeln Macht nun Platz dem Tränenbächlein Wenn ich mit dieser Wandlung etwas zu tun habe Hat dies nichts zu tun mit einer besonderen Gabe Denn viel mehr ist dabei das grösste Stück Von dieser Veränderung wirklich nur Glück Aber wenn mich Deine Augen so anstrahlen Fühle ich, ich beginne, langsam zu fallen Ich weiss, Du würdest mich auffangen Aber wo würden wir dann hingelangen Deshalb kannst Du es sicher verstehen Es wird Zeit, ich muss jetzt nun gehen Schaue, mich nicht so fragend an Wieso ich jetzt gehen kann? Ich kann es ja auch nicht Aber ich schaue nicht in Dein Gesicht Meine Prinzipien sind für Dich kein Begriff Aber mich haben sie ziemlich fest im Griff Meine Regeln sind hart und doch schlicht Ich weiss, leicht ist es bestimmt nicht Ich habe mit Dir lange gesprochen Und Deine Schutzmauern zerbrochen Als wir Dich einst alleine vorfanden Aber Du hast mich nicht verstanden Sonst würdest Du mich nun nicht fragen Ich werde Dir die Antwort nicht sagen Ich gehe, es ist besser für mich Und leider auch besser für Dich Meine Arme sind ein guter Halt Aber Du hättest in Ihnen nur kalt Ich bin schon viel zu weit gefallen Versuche mich, am Rand festzukrallen Ich weiss, es kann keine Lösung sein Aber löse nicht meinen letzten Stein Merkst Du nicht, Ich fange an zu lallen Und beginne schon, in das Nichts zu fallen Ich weiss, Du würdest mich auffangen Aber wohin würden wir dabei gelangen Wir würden Beide irgendwo im Nichts enden Und dort werde ich Dich niemals hinsenden Deshalb behalte jetzt einfach Dein Lächeln Ich behalte für mich Dein Tränenbächlein
Ich werde jetzt gehen Ich weiss, Du wirst es nie verstehen Inhaltsverzeichnis
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CHRIS VOR DER MAUER
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Ich kannte früher einen merkwürdigen Kerl, der hiess Chris Der war ständig auf der Suche nach dem verlorenen Paradies Und er war furchtbar begierig darauf, es einmal zu entdecken Er fragte sich, welche Dinge sich hinter der Mauer verstecken Die meisten Menschen durchqueren Mauern ja durch Türen Aber dabei werden sie wohl niemals die Wahrheit spüren Chris hatte diese Tatsache schon in frühen Jahren erkannt Und deshalb ist er Kopf voran gegen jede Mauer gerannt Sicher, er versuchte auch darüber zu klettern mit einem Seil Aber die Mauer war viel zu hoch, zu glatt und auch zu steil Deshalb rannte er immer weiter dagegen ohne einen Helm Doch Chris war bestimmt nicht dumm viel eher ein Schelm Die Menschen, die vorbeikamen, schüttelten nur ihre Köpfe Aber genau genommen waren ja sie die armen Geschöpfe Auch wenn sie sagten, der ist doch durchgeknallt, dieser Chris Steckten ihn in ein Irrenhaus oder besser gesagt in ein Verlies Doch Chris liess sich damit nicht von seiner Aufgabe ablenken Sollen seine Mitmenschen doch, was sie wollen über ihn denken Er rannte und schlug weiter unaufhaltsam gegen die steinerne Wand Schmerzten ihn dabei auch fürchterlich sein Kopf und seine Hand Aber hinter diesen unnachgiebigen Steinen lag sein einziges Ziel Und das war seine Lebensaufgabe und nicht etwa nur ein Spiel Chris wird es immer besser als diese dummen Spötter wissen Und schaue da, die Mauer bekam kleine aber sichtbare Risse Von Zeit zu Zeit hielt er inne aber nur für ein paar Sekunden In den Augen der vielen Zuschauer hat er nur Spott gefunden Aber die dummen Sprüchen und Missbilligungen nahm er in Kauf Den von neuem ging er zurück und nahm einen riesigen Anlauf Kurze Zeit später ist er unbarmherzig gegen die Mauer gekracht Ein höhnisches Gelächter ertönte, alle haben sie ihn ausgelacht Doch er wollte sich deswegen mit den Leuten nicht streiten Nur Missbilligungen, es waren für ihn sehr schwere Zeiten Aber er wusste, was er tat, nein, er war nicht von Sinnen Er hatte ein Ziel, dies war mehr als die Meisten von Ihnen Die den Kopf schüttelten, wenn sie ihm spöttisch zuschauten Den Augen bei der Sinnlosigkeit seines Vorhabens nicht trauten Nichts von alldem hat Chris seine grosse Überzeugung geraubt Weil er hat unbeirrbar an seinen ungewöhnlichen Weg geglaubt Und eines war ganz gewiss, der Mann, welche alle kennen, Chris War ständig auf der langen Suche nach dem endgültigen Paradies Und er war furchtbar begierig, dieses Wunder endlich zu entdecken Welche wunderbaren Dinge mögen sich hinter der Mauer verstecken Und erstaunlicherweise hatte sein Anrennen doch etwas genützt Denn die riesige Mauer ist wirklich mit lautem Getöse eingestürzt Aber Chris fiel bedauerlicherweise einer der Stein auf den Kopf Die schöne neue Welt, die er erschuf, sah er nie, der arme Tropf Inhaltsverzeichnis
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SONJA HINTER DER MAUER
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Mauern wachsen ohne Wasser und Sonne aus ihrem Samen Aber Sie stürzen niemals wieder von ganz alleine zusammen Wie aus heiterem Himmel hat es plötzlich auch Sonja erwischt Einer dieser unheilvollen Samen hat sich in ihr Leben gemischt Und es ist in der Regel schon zu spät, wenn man es bemerkt Die Mauer wurde grösser und hat sich ständig selbst verstärkt Bis sie von einem Tag auf den anderen Sonja völlig einschloss Und wenn von Zeit von Zeit auch einmal eine kleine Träne floss Trocknete sie aus und verschwand unbemerkt unter einem Stein Sonja war in ihrem Leben bestimmt nie einsam, sie war nur allein Jetzt steht sie hinter dieser dicken und unüberwindbaren Wand Jeder kannte sie, aber ihre Worte hörte leider trotzdem niemand Dies lag an der Mauer, denn ihre Stimme war sicher nicht zu leis Und so drehte sich Sonja unter all den Menschen immer im Kreis Sie weiss auch nicht, warum die dicken Mauern stehen so nah? Ja sie sieht die Wände nicht einmal, aber sie sind trotzdem da Sonja hofft nun, es wird jemand die Mauer zum Einsturz bringen Nur auf diese Weise wird Ihr die Flucht eines Tages gelingen Diese hohe Mauern werden ihr immer etwas Angst einflössen Es ist wahr, jemand braucht nur, einen einzelnen Stein zu lösen Die ganze Mauer würde mit einem lauten Knall zusammenkrachen Und Sie bekommt die Gelegenheit, sich aus dem Staub zu machen Es ist einfach, sie wartet nur auf diesen uneigennützigen jemand Nur - dieser „jemand“ würde begraben unter der einstürzenden Wand Dies weiss auch jeder, darum sieht man alle weiter achtlos vorbeigehen Mit einem Lächeln machen sie den Anschein, als würden sie nichts sehen Sonja sieht sie alle, aber sie kann jeden einzelnen von Ihnen verstehen Aber trotzdem hofft sie, es wird eines Tages ganz unverhofft geschehen Dass ein Mensch in der Zukunft vor ihren unmöglichen Mauern auftaucht Und ihr endlich die reine Luft gibt, welche sie doch zum Atmen braucht Es muss auch ganz sicher nicht ein Held sein, einfach nur ein jemand Der in der Mauer löst diesen einen verflixten Stein mit sicherer Hand Er wird mit dieser Tat bestimmt keinen Blumentopf gewinnen können Abgesehen von den Sekunden die ihm das gute Gewissen kann gönnen Bevor die einstürzenden Mauerbrocken auf seinem Kopf einschlagen Aber trotzdem wird es eines fernen Tages jemand für sie wagen Darauf wartet sie in ihrer Stille und mit enorm grosser Geduld Armes Mädchen an ihrer Situation trug sie niemals Schuld
Sage nicht, Du hast diese Geschichte nie wahrgenommen Weil sie wird bestimmt immer wieder und überall vorkommen In jeder Strasse, in jedem Dorf, in jeder Stadt und in jedem Land Ich frage mich im Stillen, warum ist meine Name heute „Jemand“ Inhaltsverzeichnis
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WELTREISE
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Ich dachte bestimmt nie, dass mich hier etwas hält Ja, es gab eine Zeit, da wollte ich hinaus in die Welt Meine Ziele waren Amerika, Australien oder China Ganz egal wohin Hauptsache der Ort lag nicht nah Die Tristesse hier liess mich nach der Ferne fassen Hatte nichts Wichtiges, was ich musste zurücklassen Bis sie zu mir sagte, wovor willst Du davonrennen? Ich antworte ihr, ich will nur einmal die Welt sehen Sie lächelte, dafür musst Du nicht so weit gehen Willst Du die weite Welt wirklich lernen kennen Dann mache nur einen Schritt aus Deinem Haus Gehe auf Deine vertraute Strasse vor die Tür hinaus Schaue Dir die Menschen an in einer finsteren Nacht Und schaue sie Dir an, wenn die Sonne freundlich lacht Schliesse Deine Augen nicht im Nebel - nicht im Regen Und vergiss niemals, wer Dir hier alles kommt entgegen Lerne zu sehen, lerne, die seltsamen Dinge zu verstehen Und Du wirst viel mehr von dieser weiten Welt sehen Als Dir fremde Städte und unbekannte Strassen sagen Doch es braucht grossen Mut, man muss sehr viel wagen Die Welt in sich zu lassen, denn man wird einen Teil von ihr Und Du kannst Dich von ihr in Zukunft nie mehr losreissen Nur auf diese Weise siehst Du wirkliche die Welt vor Dir Aber ich gebe zu, es ist sehr viel einfacher weit zu reisen Weil dieser Weg kann man mit Geld und Luxus gehen Doch die grosse Welt wird man dabei niemals sehen Vergiss niemals, dass Kameras nur Fassaden aufnehmen Als fremder Tourist werden sie Dir nur etwas vorschwärmen In allen fernen Ländern werden sie es bestimmt vermeiden Zu zeigen, das wahre Glück und die wirklichen Leiden Willst Du wirklich die Welt sehen, dann bleibe hier Denn die wahre Welt spiegelt sich in Deinem Quartier Mit den Leuten musst Du reden und auch schweigen Und sie werden Dir unaufgefordert die Wahrheit zeigen Denn diese Mitmenschen reden nicht von bunten Prospekten Und es sind bestimmt nicht blosse Showdowns in Kollekten Es ist doch nur eines, unsere Welt und die einzige Wahrheit Um sie zu erfassen, braucht es nur Dein Wille und etwas Zeit
Ich weiss, es fällt Dir schwer, dies zu verstehen Aber ehrlich willst Du die wirkliche Welt sehen Dann mache eine Schritt hinaus vor Deine Tür Aber den Meisten fehlt leider der Mut dafür Inhaltsverzeichnis
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UNERWARTET KOMMT DAS ERWARTETE
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Es ist Oktober und eine grelle Sonne scheint Ein Spätsommer, der es sehr gut mit uns meint Weit und breit kann man fröhliche Gesichter sehen Frohen Mutes werde ich jetzt über die Strasse gehen Es war am Nachmittag, ich schätze ungefähr gegen drei Plötzlich eine quietschende Bremse und eine laute Hupe Ein ganz kurzer Schreck und dann ein fast lautloser Schrei Ab diesem Moment erscheinen mir alle Bilder wie in Zeitlupe Ein kurzer Gedanke, warum müssen die immer so rasen? Als mich die Vorderräder von dem schnellen Auto erfassen Die eben noch lachenden Gesichter waren plötzlich erfroren Dann habe ich im Chaos völlig meine Orientierung verloren Ich spüre die schweren Räder über mein linkes Bein fahren Merkwürdig eigentlich müsste ich grosse Schmerzen erfahren Aber eigentlich ist es ein anderes Gefühl viel eher angenehm War auch meine momentane Lage vielleicht etwas unbequem Die Leute rings um die Szene rennen alle schnell zusammen Irgendeiner der mich kennt, ruft im Getümmel meinen Namen Aber ich erkenne in diesem Gedränge nicht mehr, wer es ist Ist dies wohl mein Blut, was mir über mein Gesicht fliesst? Ich habe dieses Gefühl, in ein ganz tiefes Loch zu fallen Von den um mich stehenden Massen höre ich ein Lallen Ich sehe sie, aber irgendwie wie aus weiter Entfernung Mir ist nicht bewusst in welcher brenzligen Situation ich bin Aber seltsame Gedanken kommen mir plötzlich in den Sinn Morgen in der Zeitung finde ich bestimmt auch Erwähnung Bilder aus der Vergangenheit schwirren durch meine Gedanken Ich schwebe durch den Raum ohne Hindernisse und Schranken Die ganze Situation hier, sie scheint, mich gar nichts anzugehen Mir ist nicht einmal klar, was ist mit mir eigentlich geschehen Von einem Augenblick auf den anderen habe ich Klarsicht Ich verstehe plötzlich, dass mein Lebensweg heute abbricht Es ist ein merkwürdiges Gefühl, keine Gefühle mehr zu haben Das Getue rings um mich scheint, mich immer weniger anzugehen Ich bekomme nur noch mit, dass mir eine Menge Menschen zusehen Vier Tage später werde ich dann auf einem Friedhof begraben Da sind sehr viel weniger Menschen als bei meinem Unfall Aber in meinem Zustand interessiere ich mich nicht für eine Zahl Sie hätten ruhig auch alle zuhause bleiben können Um sich selber und mir auch etwas Ruhe zu gönnen
So ruhig zu liegen war merkwürdigerweise gar nicht so schwer Nur irgendwie ziemlich einsam, auf seltsame Weise einfach leer Inhaltsverzeichnis
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LIEBESGEDICHT
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Es ist kein Zufall, dass ich nach Dir spähe Ich fühle mich einfach wohl in Deiner Nähe Schimpfe mich ruhig einen absoluten Narr Aber ich mag Dein langes blondes Haar Und liebe, wenn Deine Augen mich anstrahlen Für die Augenblicke mit Dir würde ich viel bezahlen Kein Geld, denn Du bist bestimmt nicht käuflich Deine Worte sind in den meisten Fällen so trefflich Dass ich daneben wie ein Waisenknabe aussehe Begreifst Du jetzt endlich, dass ich auf Dich stehe Ich möchte Dein Herzschlag auf meiner Haut spüren Und Dich zärtlich in meine bunten Träume entführen Mache Dir Angebote mir einen Schritt näher zu kommen Aber Du hast leider kein einziges davon angenommen Trotzdem habe ich das Gefühl Du bist mir nicht abgeneigt Denn dies haben mir einige unserer Gespräche gezeigt Ich weiss nicht, wie ich Dich doch noch könnte gewinnen Alle meine Möglichkeiten scheinen mir zu entrinnen Ich bin halt ein hilfloser und auch schüchterner Mann Mit einer ansteckenden Fröhlichkeit lächelst Du mich an Erzählst mir Geschichten und Episoden aus Deinem Leben Mir wird langsam bewusst, dass ich irgendwie leide daneben Ich versichere Dir, ich treibe hier kein hinterhältiges Spiel Vielmehr verfolge ich mit meinem Handeln ein ehrliches Ziel Ich war eigentlich schon immer gerne mit Dir zusammen Hatte für meinen Gefühle nur nie den richtigen Namen War mir leider viel zu lange selbst nicht sicher Ist diese Aussage nicht sehr viel ehrlicher? Als wenn ich vollkommen überzeugt erkläre Dass es Liebe auf den ersten Blick wäre Diese Behauptung wäre doch wirklich gelogen Doch längst ist der kleinste Zweifel in mir verflogen Denn in der Zwischenzeit habe ich längst erkannt Ich weiss, meine Gefühle werden Liebe genannt
Aber zugeben will ich dies trotzdem nicht Denn es könnte jemand über mich lachen Ich bleibe ich lieber im Schatten als im Licht Habe Angst vor einem schrecklichen Erwachen Inhaltsverzeichnis
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PUZZLE DES LEBENS
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Manchmal, wenn ich mich an der grossen Hektik der Umwelt nicht störe Schalte ich ab und liege gemütlich auf meinem Bett, wobei ich Musik höre Bin dabei nicht traurig und nicht glücklich, nur meine Batterien sind leer In der Ruhe lade ich mich wieder auf, ist der Stress auch nicht lange her Auf der Reise zu mir selbst scheinen viele Gedanken, mich zu begleiten Es sind Geschichten - kleine Episoden aus längst vergangenen Zeiten Bruchstücke - ganz winzig kleine Bausteine von einem erfühlten Leben Gedanken - die fragend auf mich einwirken - ohne eine Antwort zu geben Siege und auch Niederlagen, die man einst focht mit dem Schwerte Auffällig, zufällig und auch wertlos aber sicherlich niemals ohne Werte Ich spüre wie sich die vielen Geschichten zu einem Bild zusammenfügen Zu einem Selbstporträt - einem Spiegelbild, welches niemals wird lügen Aber wenn man die unscheinbaren Formen und Farben des Bildes entdeckt Macht man verstört einen Sprung zurück - die Erkenntnis hat erschreckt Man ist sich ganz sicher, dieses eindeutige Bild muss einfach lügen Einzelne Teile beginnt man auszuwechseln, um andere anzufügen Vor dem inneren Auge beginnt nun, ein anderes Bild zu entstehen Aber man braucht es, nur einige wenige Sekunden lang anzusehen Bis man wiederum feststellt: „Das - Das bin ich ganz bestimmt nicht“ Und damit dieses so verräterische Spiegelbild endgültig zerbricht Wirft man hilflos und verärgert einen schweren Stein oder ein Ziegel Schon zerschmettert er in tausend Stücke, dieser verfluchte Spiegel
Aber wie viele Spiegel auch immer von neuem zerspringen Es wird wohl niemandem endgültig und für immer gelingen Von der eigenen Vergangenheit und der Wahrheit davonzulaufen Man kann sich ein neues Gesicht aber keinen neuen Charakter kaufen Die Bilder, die in einem selbst entstehen, werden nie verschwinden Weil wir werden uns immer von neuem im Spiegelbild wiederfinden Man kann sich ein eigenes Bild malen und an die Fassade hängen Aber die Wahrheit wird sich doch wieder in den Vordergrund drängen
Ich weiss, es ist nicht einfach, mit dem eigenen „ICH“ zu leben Aber Du musst doch auch eines Tages lernen, Dir selber zu vergeben Male ruhig ein Bild für die Anderen, wenn Du vor ihrem Urteil bangst Aber habe von den stillen Momenten und vor Dir selbst keine Angst Schaue mit offenen Augen in Deinen eigenen schillernden Spiegel Du zerstörst ihn nicht mit Ausreden und auch nicht mit einem Ziegel
Versuche, den Blick für die Realität, nicht zu verlieren Lerne, Ungereimtheiten und Unebenheit zu akzeptieren Jeder Lebensweg ist lang Und jeder beginnt am Anfang Inhaltsverzeichnis
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FÜR EINEN UNBEKANNTEN
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Hier starb jemand in absoluter Ruhe und im Schweigen Genauso wie er einst tanzte in seinem Lebensreigen Weil er war vollkommen unauffällig, kaum zu sehen Er war nicht der Typ dazu, um im Mittelpunkt zu stehen Und so wird auch nie jemand eine Strophe über ihn singen Oder seine faszinierende Lebensgeschichte zu Gehör bringen Dass er in Zukunft nicht mehr da ist, fällt kaum jemandem auf Diese Geschichte ist auch nichts anderes als der Dinge Lauf Auf seinem Grabstein hat es noch jede Menge Platz Weil da steht überhaupt kein Spruch und auch kein Satz Nur zwei schmucklose und nichtssagende Zahlen Welche aber den Passanten nicht weiter auffallen Da gibt es niemand, der sich Gedanken gemacht hätte Über die richtigen Worte für seine ewige Grabstätte Er war ein Nichts, denn er lebte ruhig und leise Niemals gehörte er zu dem erleuchtenden Kreise Vor seiner Grabstätte bleibt auch kaum jemand stehen Nur eine kleine Gestalt kann man von Zeit zu Zeit dort sehen Die anderen Besucher haben das Mädchen nicht gekannt Wahrscheinlich war sie mit ihm irgendwie verwandt Jede Woche stand es dort, das kleine, trauernde Kind Auf dem ungeschmückten Grab flackerte eine Kerze im Wind Das Mädchen stellte sie vor wenigen Minuten vor den Grabstein Und auf ganz seltsame Weise scheint dies auch kein Zufall zu sein Denn sollte jemand den ihn kannte in diesem Moment vorbeigehen Er würde darin ganz bestimmt eine gewisse Symbolik sehen Denn wie eine Kerze im Wind, war dieser, der jetzt hier liegt Hatte er zu Lebzeiten auch niemals gelernt, wie man siegt Aber er hat es sich auch niemals einfach nur leicht gemacht Seine Flamme hat so manches erloschene Feuer wieder entfacht Indem er sich in seinem spärlichen Glück nicht einfach sonnte Sondern seine schützenden Hände darbot, wo er helfen konnte Er war kein bequemer Typ, er legte seine Hände nicht in den Schoss Deshalb war er auf seine eigene Art auch wirklich gross Auch wenn es in seinem Leben niemand erkannte Weil er nicht der grossen Aufmerksamkeit nachrannte Auch sein Tod war nicht aussergewöhnlich Er starb mit sich selbst versöhnlich Und im Wind erlosch sein Licht Ohne Aufsehen und ohne Bericht
Deshalb weiss ich für seinen Stein schon lange den passenden Satz „Eine kleine Kerze im Wind liegt für ewige Zeiten an diesem Platz“ Inhaltsverzeichnis
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