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Blutspuren 3
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TOTAL EGAL
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Offenheit, welcher man ganz leicht vertraut Ein Herz, um ohne ein Risiko hinein zu fallen Gut duftende, weiche und geborgene warme Haut Augen, welche einem so hemmungslos anstrahlen Und die, was immer auch kommen mag, treu bleiben Ein offenes, sympathisches und herzliches Lachen Ehrlichkeiten, die alle Lügen unbarmherzig forttreiben So viele Tugenden, welche einem nur beschämt machen Eine wahnwitzige Ausstrahlung, sie verursacht Neid Und ein überragender Charakter als wunderbares Kleid Worte, genauso wie ein bunter und fröhlicher Wasserfall Und trotzdem, dies ist mir wirklich alles vollkommen egal Es gäbe gar keine Freundschaft zwischen Frau und Mann Ich frage mich, wer wohl einen solchen Blödsinn ersann? Es geht doch zwischen uns, trotz Deiner blendenden Figur Wirklich, aber manchmal überlege ich mir heimlich nur Warum habe ich Mühe, meine Hände bei mir zu behalten? Und wieso sich meine Träume so merkwürdig gestalten? Ich habe doch alles vollkommen im Griff, nicht wahr? Meine Kollegschaft zu Dir, sie ist wirklich so wunderbar Nur warum beginne ich dann, Selbstgespräche zu führen? Und wieso habe nur ich diesen Wunsch, Dich zu berühren? Diese verwirrende Träume Dich sogar noch zu lieben Es ist bereits morgens irgendetwas um die Sieben Ich bin müde, und ich schlafe immer noch nicht Komm sagt mir schon, versteht das irgendeiner Frage mich, welcher Dorn mich so intensiv sticht? Nur meine Unsicherheit, sie wird doch nicht kleiner Gestern waren wir zusammen, wir tanzten und lachten Dass an der Decke die alten, morschen Balken krachten Genossen die wärmende Sonne und die kalte Dunkelheit Und wir sprühten vor spinniger Ideen und vor Dummheit Manche haben uns da schon etwas verwundert angeschaut Total egal, denn uns sind diese Blicke schon längst vertraut Aber wenn äusserlich auch alles so wie immer geschieht Fühle ich doch, da existiert ein ganz kleiner Unterschied Denn in den ruhigen Momenten, wenn mich nichts ablenkt Spüre ich, wie es irgendwo in mir ganz automatisch denkt Nur über was, das ist mir immer noch etwas schleierhaft Ganz bestimmt nicht über unsere einmalige Kollegschaft Denn diese Beziehung ist mit Sicherheit echt wunderbar Da bist Du mit mir doch auch einer Meinung, nicht wahr? Es gäbe gar keine Freundschaft zwischen Frau und Mann Ich frage mich, wer wohl einen solchen Blödsinn ersann Nur warum sind meine Hände dann immer unterwegs zu Dir? Keine Ahnung, warum lasse ich sie nicht einfach bei mir? Inhaltsverzeichnis
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ICH SCHREIBE 'NEN BRIEF
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Ich weiss genau, was ich jetzt werde machen Mir ist so übel, ich muss schrecklich lachen Ist dies nicht eine seltsame Art von Denksport? Ich bin genau hier, und Du bist irgendwo dort Wo warst Du eigentlich, als ich Dich rief? Ich glaube, ich schreibe Dir heute einen Brief Aber in diesem Brief steht gar nichts drin Denn es macht doch überhaupt keinen Sinn Dass wir noch irgendwelche Worte verlieren Wir werden es ja so wie so niemals kapieren
Ich weiss genau, was jetzt wird geschehen Schliesse die Augen, um alles genau zu sehen Ich kann etwas sehr Kaltes da draussen fühlen Werde einfach mit meinen Händen darin wühlen Frage mich schon lange, was mache ich hier? Ich glaube, ich schicke Dir ein Bild von mir Ein weisses Papier, weil nichts ist drauf Ich lasse dem Schicksal einfach seinen Lauf Aber eines Tages, da wirst auch Du es sehen Was Seltsames aus dem Nichts kann entstehen
Ich mag blau, und Du magst viel lieber rot Male die Farben in Schwarz-Weiss zur Not Und ich trage bei mir alle Deine Adressen Dabei habe ich es schon wieder vergessen Aber wenn ich mich wieder erinnern kann Dann bin ich sicher, dann rufe ich Dich an Wenn Du abnimmst dann sage ich kein Wort Du wirst wissen, ich bin hier und Du bist dort Aber alle Worte werden wir uns einfach sparen Wir werden die Wahrheit sowieso nicht erfahren
Ich weiss, der Weg ist beschwerlich und steil Doch was soll's, er ist trotzdem irgendwie geil Jeder und jede kann dies wahrscheinlich sehen Gelingt es auch niemandem, es so zu verstehen Zwischen Dir und mir ist ein grosser Abstand Und trotzdem gaben wir uns so oft die Hand Bin mir sicher, es wird noch oft geschehen Wenn wir auch nie an denselben Ort gehen Warum bin ich nur so gefühllos und so kalt? Ich weiss nicht, weshalb wurde ich so alt?
Du weisst es doch Ich bin ein Arschloch Inhaltsverzeichnis
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HEILIGE KUH
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Die Einen haben Götter, die Anderen eine heilige Kuh Nichts so wir, denn wir haben nur eine Meinung dazu Wir leben immer in der für uns fassbaren Realität Für die Anderen bleiben die Bräuche und Naivität Darüber zu lachen, fällt uns immer wieder leicht Ja unser Spott bleibt wohl ewiglich unerreicht Denn wir wissen zu jedem Zeitpunkt etwas mehr Dies ist so einfach, nein, dies ist sicher nicht schwer Überlegen lachen wir über ihren kindischen Schrott Sicher, es gab eine Zeit, da hatten auch wir einen Gott Bis wir ihn nicht mehr nötig hatten, wir schaffen es allein Und wir sind uns auch völlig sicher, so wird es immer sein Wir haben keine Götter, denn wir brauchen sich nicht mehr Wir glauben an nichts mehr, unser Glauben ist längst leer Genau so mag es einem Aussenstehenden auch scheinen Doch wir haben noch einen Gott, wenn auch nur noch einen Und an diesen lassen wir keinen Kratzer, da sind wir stur Viel zu wichtig ist uns die geheimnisvolle, heilige Skulptur Nicht mehr so einfach wie früher, hochtechnisiert und mobil Denn man hat doch schliesslich auch etwas Format und Stil Wir sorgen auch dafür, dass unsere heilige Kuh immer glänzt Und wenn nicht wird sie mit einem neuen Anstrich gekränzt Ja sicher, wir sind furchtbar stolz auf unsere heilige Kuh Und wir lassen auch nicht die geringsten Beleidigungen zu Unsere heilige Kuh, die hat vier Pneus aus hartem Gummi Vom gewöhnlichen Kleinwagen bis zum verchromten Brummi Das ist unser gesamter Stolz, und daran glauben wir Kein schlechtes Wort über die Sache, sonst wehe Dir Wir glauben nicht mehr an Legenden und den bösen Wolf Unsere Götter, sie heissen schon längst Porsche und Golf Und ehrfurchtsvoll knien wir, innig betend, hier vor ihnen Bereit, ihnen jederzeit wie willenlose Sklaven zu dienen So hat bei uns längst jeder seinen eigenen, privaten Gott Und bei einer Kritik sieht der Gläubige ganz plötzlich rot Als gehe es dabei jedes Mal um das eigene wertvolle Leben Otto Normalverbraucher ist bereit, dafür alles aufzugeben
Da sieht man doch deutlich, wie überlegen wir sind Wir sind doch besser, nicht so einfältig wie ein Kind Wie die Anderen mit ihren naiven Bräuchen und Sitten Das ist doch wirklich lächerlich, ich darf Dich bitten Es hat gar keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen Die Anderen mit ihrer heiligen Kuh, da kann man nur lachen Inhaltsverzeichnis
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SCHUHE ODER FREUNDE
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Endstation, Zeit um mit meinem gesamten Gepäck auszusteigen Ich halte einen Moment inne, um mich hier gründlich umzusehen Bemerke dabei einen grossen Platz, auf dem Leute herumstehen Welche mich alle samt anstarren und dabei beharrlich schweigen Plötzlich beginnt, einer, dort irgendwo im Hintergrund, zu lachen Als wäre es ein Signal, ein lautes Gelächter beginnt zu erwachen Der Grund für diese ausgelassene Heiterkeit ist mir schleierhaft Dachte nur bei mir, scheinbar eine wirklich fröhliche Gesellschaft Ich griff nach meinem Gepäck, um irgendwo eine Bleibe zu buchen Zuerst hatte ich jedoch Hunger, ich musste auch nicht lange suchen Da entdeckte ich ein Restaurant, es roch verführerisch nach Fisch Drinnen war ein Gedränge, setze mich an einen halbgefüllten Tisch Die anderen Gäste, welche sich auch noch am selben Tisch befanden Haben mich von Kopf bis Fuss gemustert und sind dann aufgestanden Und setzten sich, ganz leise miteinander tuschelnd, wo anders hin Irgendwie kam ich mir plötzlich vor, als ob ich ein Aussätziger bin Nun ja egal, ich bestellte mir endlich beim Kellner, etwas zu essen Doch dieser sagte mir nur, Leute wie ich, können dies hier vergessen Furchtbar, wie sich alle die Reaktionen dieser Menschen hier glichen Weil überall, wo ich auch hin kam, sind sie mir entsetzt ausgewichen Ohne dass es mir dabei gelang, einen genauen Grund dafür zu erfassen Deshalb fragte ich endlich jemanden aus der grossen Menschenmasse Denn das ängstliche Ausweichen von den Leuten liess mir keine Ruhe Der Mann antwortete mir nicht, zeigte nur wortlos auf meine Schuhe Mein Schuhwerk ist doch ganz normal, meinte ich erstaunt und altklug Da bemerkte ich erst, dass hier gar niemand ausser mir Schuhe trug Ich lachte laut, dies alleine konnte doch wirklich nicht die Ursache sein Doch als ich mich umdrehte, stand ich hier schon wieder ganz allein Zumindest war ich nach dem Gespräch, das keines war, etwas gescheiter Alleine meine Schuhe machten mich hier an diesem Ort zum Aussenseiter Konnte es tatsächlich sein, dies alleine machte mich zum Einzelfall Wo ich vor kurzem her kam, galt ich eigentlich als ziemlich normal Nur auf Grund einer lächerlichen Kleinigkeit wurde ich nicht toleriert Die andauernde Ablehnung machte mich schon ziemlich deprimiert Wenn dann auch noch die Tage und die Wochen so ziellos zerrinnen Ohne dass es daneben gelingt, eine Spur von Verständnis zu gewinnen Kommt der Tag, wo man wünscht in die Anonymität der Masse zu fliehen Und deshalb beschloss ich endlich, auch meine Schuhe auszuziehen Ich fühlte mich zwar irgendwie ziemlich nackt, so ganz ohne Schuhe Aber was für ein Wunder, denn sofort liessen sie mich alle in Ruhe Ich erntete sogar plötzlich auf der Strasse viele freundliche Grüsse Aber ich litt trotzdem sehr, denn ich hatte nun ständig blutige Füsse Verletzt mich dauernd an den zahlreichen kleinen, spitzigen Steinen Denn ihre Füsse waren längst abgehärtet, doch nicht so die Meinen Inhaltsverzeichnis
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EIGENTLICH SOLLTE ICH ...
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Ich liege gemütlich auf dem Bett, ich bin glücklich und verliebt Eine dieser ruhigen, melancholischen Momente, die es selten gibt Im Grunde genommen, sollte ich jetzt eigentlich davon schreiben Dass da irgendwo in meiner Nachbarschaft ein Saxophon erklingt Welches traurig und trotzdem romantisch seine Melodie singt Ich lausche, es bleibt still, deshalb lasse ich es auch bleiben Weil von meinen Nachbarn hat überhaupt niemand ein Saxophon Und auch kein anderes Instrument, aller höchstens ein Telefon Im Leben ist es halt nicht so, wie man es in den Filmen sieht Doch es ist nicht so schlimm, wenn es nicht genau so geschieht Weil ich bestimmt auch ohne blusiges Saxophon träumen kann Auf diese nebensächlichen Details kommt es wirklich nicht an Ich sehe vor mir auch mit geschlossenen Augen Dein Gesicht Dein Blick, der selbst das dickste Eis so wie Watte durchbricht Erreicht selbst über eine scheinbar unendliche Distanz mich Und Deine wunderbare Wärme und Dein Verständnis spüre ich Auch in den vielen Momenten, wo Du überhaupt nicht da bist Weil hat man sie erst einmal erlebt, sie niemals wieder vergisst Und mit offenen Augen träume ich wieder einmal nur von Dir Lausche trotzdem angestrengt dieser Stille, so liege ich hier Im Grunde genommen, sollte ich jetzt eigentlich davon schreiben Wie wunderbar der Mond scheint oder von den Sternen am Himmel Oder vielleicht sogar von einer Prinzessin auf einem Schimmel Nur der Himmel ist verhangen, deshalb lasse ich es auch bleiben Es regnet so wie so, und draussen sieht man nur elektrisches Licht Und an eine Prinzessin auf einem Schimmel, daran glaube ich nicht Im Leben ist es halt nicht alles so, so wie man es in den Filmen sieht Doch es ist nicht so schlimm, wenn es nicht genau so geschieht Denn ich lasse mich nicht durch solche Äusserlichkeiten ablenken Ich brauche doch bestimmt keine Gründe, um an Dich zu denken Werde wohl immer ganz selbständig auf ein Wiedersehen blangen Denn Dein Bild bleibt in alle Ewigkeiten in meinem Herz gefangen Ich weiss zwar nicht, wie ich einen Menschen wie Dich verdiene Aber ich liege glücklich auf dem Bett mit einer fröhlichen Miene Und schreibe dabei wie von selbst ein paar unscheinbare Zeilen Um meine überschwängliche Freude der ganzen Welt mitzuteilen Im Grunde genommen, sollte ich jetzt eigentlich davon schreiben Dass die Sonne gerade aufgeht oder von einem Sonnenuntergang Oder vielleicht auch wie wunderbar die Stimme der Natur klang Ich lausche, es bleibt still, deshalb lasse ich es viel lieber bleiben Irgendeine Turmuhr schlägt aus weiter Ferne gerade Mitternacht Und vor dem Fenster blitzt es, und der Donner furchtbar kracht Im Leben ist es halt nicht so, so wie man es in den Filmen sieht Doch es ist nicht so schlimm, wenn es nicht genau so geschieht Weil ich fand ja längst mein eigenes grosses Glück Und das ist Realität und nicht ein kitschiges Stück Inhaltsverzeichnis
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FEINER SAND
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Ich stand mit beiden Beinen fest im Lebensverkehr Und es scheint mir erst einige wenige Sekunden her Als ich mein Leben noch ganz fest hielt in der Hand Nun fühle ich in meinen Handflächen nur noch Sand Und ich schaue zu, wie er mir durch meine Finger rinnt Mir wird klar, wie diese Aussage an Bedeutung gewinnt "Das ganz grosse Geheimnis des Lebens besteht darin Dass Dinge, welche eben noch da waren verschwinden Die allergrösste Aufgabe jedes Lebens besteht darin Sich - in diesen ständigen Veränderungen zurecht zu finden" Und ich schaue verstört auf meine Hände, sie sind leer Erschrocken fällt mein Blick dem feinen Sand hinterher Als dieser sich plötzlich bewegt und zusammen fliesst Sich auf seltsame Weise zu Formen und Farben schliesst Es sind abstrakte Bilder, die man aber vertrauensvoll erkennt Dies ist wohl das, was man im Volksmund so Erinnerung nennt Ehrfurchtsvoll bleibe ich, wie zu einer Salzsäule erstarrt, stehen Um dem seltsamen Schauspiel lautlos und überwältigt zu zusehen Es ist ein Wechselspiel, mal beginnen meine Augen zu leuchten Bevor sie Sekunden später wieder meine stillen Tränen befeuchten
Vergangenheit geformt aus instabilem und feinem Sand Er zeigt Dich, er zeigt mich, gemeinsam Hand in Hand Wie wir wohlbehütet spazieren durch den finsteren Wald Sehe einen Jungen sich winden und schluchzen, er hat kalt Dies alles soll ich einfach so zurücklassen, niemals - nie Aus der Erstarrung erwacht, falle ich zitternd auf die Knie Und habe krampfhaft versucht, den Sand zusammen zu wischen Aber er begann sich, mit dem Dreck der Strasse zu vermischen Ich konnte, wie ich auch wollte, meine beiden Hände falten Es gelang mir nicht, den feinen Sand weiter festzuhalten Keine Macht der Welt konnte ihn von dem Schmutz trennen Bald schien mir, als würde ich den Sand nicht mehr erkennen
Nein, dieser Sand hatte längst nichts mehr, mit mir zu tun Und trotzdem, es lässt mich halt einfach nicht mehr ruh'n Ich will meine Vergangenheit nicht einfach so zurücklassen Trotzdem bekomme ich sie, nicht mehr so Recht zu fassen Ratlos und völlig hilflos knie ich hier, zusammen gekauert Habe stumm für mich, um alles was früher war, getrauert Weiss nicht, ob Minuten vergingen, während ich nachdachte Ein kurzer Ruck ging durch meinen Körper, als ich erwachte So habe ich mich plötzlich wieder in der Gegenwart gefunden Ich stehe auf und ich bin um die nächste Ecke verschwunden Inhaltsverzeichnis
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ALS ATLANTIS AUFTAUCHTE
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Eine zufällige, zusammengewürfelte Gruppe hat sich hier eingefunden Farbenfrohe Details sind unbemerkt im schummrigen Licht verschwunden Stille kehrte ein, als plötzlich in der Dunkelheit eine klare Stimme sang Die Musik ertönte im Hintergrund, eine beinahe scheue Gitarre erklang Nicht so wie in den meisten Fällen überladen und furchtbar pompös Nein, viel eher fein und sehr zart, halt einfach wohltuend melodiös Worte und Melodie waren den meisten Anwesenden bestens vertraut Es dauerte nur ein paar Klänge, dann ging das Lied unter die Haut Ein Mann mit seiner braunen Gitarre erschien im gedämpften Licht Niemand klatschte, wir zerstörten diesen lautlosen Zauber nicht Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis wir die Grenzen überwanden Und sich bis dahin fremde Hände zielsicher zueinander fanden Weiterhin drang die Melodie beinahe ehrfurchtsvoll an mein Ohr Nur der Refrain erschall von den Wänden als vielstimmiger Chor So standen wir alle zusammen da, Reihe für Reihe, Hand in Hand Glücklich, weil uns etwas ganz Seltsames und Unsichtbares verband Heute wussten wir in diesem Augenblick gehörten wir alle zusammen Unwichtig waren plötzlich unsere Geschichten und auch die Namen Ein Lied und eine Idee schaffte es, uns alle zusammen zu vereinen Irgendwo rechts hinter mir hörte ich eine schwache Stimme weinen Es dauerte kaum mehr als eine Sekunde, bis sich ihr jemand zuwandte Einer ihrer beiden Nachbarn, der sie wahrscheinlich gar nicht kannte Schützend nahm er sie ohne ein erklärendes Wort sanft in seinen Arm Und gab ihr mit dieser Geste für einige Augenblicke zärtlich warm Sie schaute ihn überrascht an, aber sie brach nicht das Schweigen Sie war nicht alleine, mehr wollte er ihr damit auch gar nicht zeigen Und dieses schöne Gefühl nahm immer mehr Besitz von uns allen Immer lauter liessen wir unsere gemeinsame Stimme erschallen Weiss nicht, ob es wahr ist, aber für uns hat es sehr gut geklungen Der Funken ist vom Sänger unaufhaltsam in unsere Herzen gesprungen Jedes neue Lied traf die empfindlichen Nerven unter unserer Haut Und die fremden Hände wurde einem immer mehr wohltuend vertraut
Selbst als die allerletzten Töne ganz langsam verklangen Standen die Meisten immer noch am selben Ort und sangen Wir warteten noch, auf das was kommen mag, Hand in Hand Der Sänger sprach eine Sprache aus einem fremden Land Aber man sagt, dass Musik jede Art von Grenzen durchbricht Und so erreichte uns an diesem Abend auch seine Nachricht
Die Menge löst sich langsam auf, um nach Hause zu gehen Wir konnten wirklich nicht in alle Ewigkeiten hier herumstehen Durch die Tür ist uns die frostige Kälte entgegen geschlagen Trotzdem gingen wir unsere eigenen Wege, ohne zu klagen Mussten wir auch die schützende Gemeinsamkeit verlassen Was wirklich geschah werden wir erst viel später erfassen Inhaltsverzeichnis
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WIEDERGEBURT
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Die Lippen zusammengepresst, ein leerer lebloser Blick Und niemand wusste etwas Genaues über Dein Geschick Hast nur eine Spur zu viel in den letzten Jahren gelitten Und so bist Du dann schon beinahe fröhlich ausgeglitten Ohne den geringsten Laut bist Du auf die Nase gefallen Konntest Du Dich gerade noch am Abgrund festhalten Unter Dir nur noch eine unendlich hohe Felswand Gab Dir gerade noch rechtzeitig meine rechte Hand Redete, redete und versuchte Dich, hinauf zu ziehen Du musstest mir zuhören, Du konntest nicht fliehen Ich zog kräftig und redete, ich redete, und ich zog Schleuderte Dir Argumente entgegen, die ich abwog Wenig später standen wir uns gegenüber am Abgrund Und ich hielt nun das erste Mal endlich meinen Mund Es war ein wunderbarer Tag, ich musste grundlos lachen Denn ich fühlte, eine neue Lebenslust in Dir erwachen Ich konnte nicht anders, ich nahm Dich in meinen Arm Aber er zeigte gar keine Wirkung auf Dich, mein Charme Denn Du schimpftest mich nur froh lachend, einen Schuft Ja, wir machten sogar bereits Pläne für unsere Zukunft Und jeden neuen Tag wollten wir so fröhlich begrüssen Doch da zerbröckelten die Steine unter Deinen Füssen Die Distanz zum Abgrund war halt immer noch zu klein Ich dachte bei mir, dies darf einfach nicht wahr sein Wollte Dich noch halten, aber es hat nichts genützt Vor meinen Augen bist Du in diese Tiefe gestürzt Sah Dich nur noch suchen nach einem sicheren Halt Aber die Schwerkraft hatte eine zu mächtige Gewalt Ich schrie Dir noch ganz laut irgendetwas hinter her Doch da war längst nichts mehr, da war alles so leer Verbittert in die Tiefe schauend, so stand ich hier Und ich weinte und fluchte, ich war so wütend in mir Über Menschen, die diese Steine liessen zusammen fügen Denn die trügerische Sicherheit bestand nur aus Lügen Warum ist nicht einer von ihnen hier hinunter gestürzt? Aber auch gerechtfertigte Vorwürfe haben nichts genützt Sie war Tod, ich hatte Mühe, mich vom Abgrund abzudrehen Und nur mit Tränen in meinen Augen konnte ich fortgehen Das Leben ist manchmal grausam und fürchterlich gemein Und ein Gedanke liess mich vom Moment an nicht mehr allein
Vielleicht, wäre ich nur etwas schneller gewesen, vielleicht Vielleicht hätte ich Dich dann auch diesmal noch erreicht Inhaltsverzeichnis
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SCHUBLADE 57
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Hey Du dort drüben, ich kenne zwar nicht Deinen Namen Aber wollen wir nicht einmal etwas trinken zusammen Hast Du etwas dagegen, wenn ich Dich zu mir einlade Meine Adresse ist die siebenundfünfzigste Schublade Genau dort lebe ich, weil dort steht auch mein Haus Zugegeben, ich bin auch nur eine kleine graue Maus Trotzdem wohne ich hier schon seit so vielen Jahren Wieso? Ich habe es leider niemals so recht erfahren Ich kam wahrscheinlich eher ziemlich zufällig dorthin Und manchmal, da fühle ich mich auch ganz wohl darin Nur manchmal beginne ich, ganz grundlos zu schwitzen Denn man lässt mich immer wieder dort einfach sitzen Und in diesen Augenblicken fehlt mir mein Humor Aber zu meinem Glück kommt es auch immer wieder vor Und sie lassen die Schublade einen kleinen Spalt offen Dann werde ich nervös, und ich beginne, leise zu hoffen Ich stecke meinen Kopf heraus, um etwas zu sehen Will wissen, was in den anderen Welten ist geschehen Sicher, die Schubladen neben mir lernte ich schon kennen Es sind ja immer die gleichen Mäuse, die hin und her rennen Und trotzdem sind diese Blicke eine Abwechslung für mich Denn immer wieder dieselbe dunkle Decke ist unerträglich Dann krieg ich den Blues und sitze niedergeschlagen zuhaus Und ich wünschte mir so sehr, ich könnte hier für einmal raus Dann lausche ich wieder den Geräuschen von unten und oben Wo die Feste und die Auseinandersetzungen heftig toben Ich gebe es zu, wäre manchmal wirklich gerne auch dabei Aber leider bin ich nur innerhalb meiner Schublade frei Ja, auf meiner Schublade klebt sogar ein grosses Schild Mit der bekannten Nummer siebenundfünfzig und das gilt Auf das bin ich sehr stolz, denn auch mein Name steht da Aber das ich in meinem bisherigen Leben noch nie mehr sah Als diese, meine kleine, siebenundfünfzigste Schublade Dies finde ich natürlich schon ein bisschen schade Und warum durfte ich eigentlich nie selbst wählen? Du könntest mir ein wenig von Deiner Welt erzählen Die ausserhalb liegt von der siebenundfünfzigsten Schublade Dies ist mein Motiv, dies ist mein Grund, dass ich Dich einlade Wir hätten ganz bestimmt unseren ganz grossen Spass zusammen Wir lernten uns etwas näher kennen, auch mit unseren Namen
Will mit Dir nur etwas trinken, es würde mich doch so sehr freu'n Komm doch vorbei, Du - Du von der Schublade zweihundertundneun Inhaltsverzeichnis
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SPRICH DI US
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Du hesch doch scho lang nume no a sie denkt Hesch ere Dis Herz und Dini Gfühl gschenkt Und sie het sich vo Dir so gern loh küsse Aber jetzt will sie vo Dir nüt meh wüsse Doch sie het vergässe, Dis Herz zrug z'geh Es git so Sache die tüend schreckli weh Jetzt liegsch ständig wach i der Nacht Und fragsch, was hesch nume falsch gmacht? Rede mit ihm, rede mit mir oder rede mit ihr Aber b'halt es lieber nit alles allei bi Dir Alles das, wo Du z'Nacht druf ume chausch Gang doch zu dem Mensch wo Du vertrausch Und sprich Di denn an sinere Schulter us Wiel suscht nimmt Dir das alles noh de Pfus
Du bisch so andersch als die Meiste Drum chasch Du Dir au gar nüt leiste Unerfüllt bliebt Din so grosse Wunsch Denn überall wo Du immer ane chunsch Lache sie Di us, alle lache über Di Du fülsch Di so schreckli allei derbi Jetzt liegsch ständig wach i der Nacht Und fragsch, was hesch nume falsch gmacht? Rede mit ihm, rede mit mir oder rede mit ihr Aber b'halt es lieber nit alles allei bi Dir Alles das, wo Du z'Nacht druf ume chausch Gang doch zu dem Mensch wo Du vertrausch Und sprich Di denn an sinere Schulter us Wiel suscht nimmt Dir das alles noh de Pfus
Du treisch e grosses Geheimnis i Dir Du gisch es zu, das verrisst Di schier Aber trotzdem verzählsch Du gar nüt Wiel Du hesch Angst, dass Di denn Lüt Gar nüme Ernst und nüme für voll näme Drum so tusch Du Di ganz allei schäme Jetzt liegsch ständig wach i der Nacht Und fragsch, was hesch nume falsch gmacht? Rede mit ihm, rede mit mir oder rede mit ihr Aber b'halt es lieber nit alles allei bi Dir Alles das, wo Du z'Nacht druf ume chausch Gang doch zu dem Mensch wo Du vertrausch Und sprich Di denn an sinere Schulter us Wiel suscht nimmt Dir das alles noh de Pfus Inhaltsverzeichnis
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SINNLOSE WARNUNG
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Ich weiss nicht, wer Dir unsere sozialen und goldenen Regeln verrat? Habe keine Ahnung, wer Dir etwas von dieser Sache angedeutet hat? Ist eigentlich auch völlig egal, denn es ist gar nichts Geheimes daran Auch wenn man diese Regeln nur von ganz wenigen erfahren kann Das was Du davon schon weisst, hat Dich wohl sehr beeindruckt Aber ich bin zuerst einmal erschrocken und habe leer geschluckt Als Du mir sagtest, ich solle Dir die goldenen Regeln beibringen Ich weiss ja zwar selbst, wie überzeugend und richtig sie klingen Und ich könnte sie Dir wahrscheinlich auch ganz exakt erklären Aber ich will doch nicht, dass Du Dich später wirst beschweren Ich bin zwar selbst überzeugt, dass jede dieser Regeln richtig ist Doch ich weiss längst auch, es ist leichter, wenn man sie vergisst Denn sie halten einem in alle Ewigkeiten unwiderruflich gefangen Weil hat man erst einmal auch nur eine einzige Träne aufgefangen Dann wird man immer mehr von diesem Leid und Kummer sehen Und es wird Dir niemals wieder richtig gelingen zu widerstehen Du wirst schnell lernen, auch verborgene Schmerzen zu erkennen Und kannst das Meiste davon auch beim richtigen Namen nennen Du wirst Dich immer verpflichtet fühlen, dagegen etwas zu tun Und niemals wieder wird bei Dir das schlechte Gewissen ruh'n Weil Du in vielen Situationen einfach da stehst und so hilflos bist Und eines Tages wirst Du dann erfahren, wie schmerzhaft es ist Dann sehnst Du Dich sehnlichst wieder nach den Tagen zurück Nach den Tagen, des Nichtwissens und dem vergangenen Glück Ich weiss schon, Wissen ist eine wirkliche so faszinierende Macht Aber Du wirst bald erkennen, wie verantwortlich Dich dies macht Ich weiss, Du kannst dies im Moment noch nicht so richtig verstehen Nur irgendwann, das verspreche ich, wirst Du mit offenen Augen sehen Einst da war ich genauso wie Du, Deine Euphorie ist mir vertraut Ich lernte schnell, und ich habe das Geheimnis rasch durchschaut Ich frage Dich, willst Du tatsächlich in dieses Wissen eindringen? Es ist nicht so, ich könnte Dir die goldenen Regeln beibringen Nur ich habe Angst, eines fernen Tages wirst Du mich verfluchen Wenn Du in einer schlaflosen Nacht nach Lösungen musst suchen Die versteckten Leiden der anderen werden auch die Deinen sein Aber Du bist mit den bedrückenden Mächten hilflos und ganz allein Und dass Du diese grosse Belastung nicht ganz verkraften kannst Davor habe ich eine wirklich grosse, nicht verschwindende Angst
Es ist ein schönes Gefühl, Gefühle von anderen zu sehen Aber es bringt Dir nur Hilflosigkeit, sie nicht zu verstehen Und deshalb überlege es Dir doch lieber nochmals gut Hast Du danach für dieses Spiel immer noch genug Mut Dann werde ich Dir alles, was ich weiss, genau erklären Genau so, wie man mir einst Einblick liess gewähren Inhaltsverzeichnis
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GUTNACHTGSCHICHTLI
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(Für alli wos agoht)
Idee und Original Tony Carey
Ich stoh do allei uf dem riesige Hügel Cha mi vor luter Angst chum bewege Und han e grosse Hunger nach Kollege Bi scho ewig lang gfange i dene Zügel Ich wart uf irgend es heimlichs Zeiche Wenn ächt wird's mi entli emol erreiche Denn wird ich vo dem Hügel abfliege D'Wolke werde mi genau wie Sunne wiege Ich froge mi, wo isch do de Sinn verborge Ständig ume hilflos uf de Chnü schnogge Jedes Mol wen meh nume es bizzeli git Näme sie eifach alles, was ihne beliebt
Wir warte uf Euch, dört unde a Euchne Stränd Und wir werde kämpfe mit eusne eigene Händ Die Wiesheit vo dem riesige Berg wird eus stärke Chönne umfalle, aber mir gänd nid uf, ihr werdet z'merke Ich hah überhaupt kei Verwendig für Ruhm und Ehr Ich will doch nume Friede isch denn das so schwer Das isch doch bestimmt keini vo dene Gutnachtgschichte So wie sie's, im Schneewittli mit de siebe Zwerge brichte
Es git es scho ewig lang das Tal Meh trifft do fremdi Lüt überall Ich ha kei Idee meh, es isch verruckt Das alles goht scho tusig Jahr zrugg Ich froge mi, wo isch do de Sinn verborge Ständig ume hilflos uf de Chnü schnogge Jedes Mol wene meh nume es bizzeli git Näme sie eifach alles, was ihne beliebt
Wir warte uf Euch, dört unde a Euchne Stränd Und wir werde kämpfe mit eusne eigene Händ Die Wiesheit vo dem riesige Berg wird eus stärke Chönne umgehe, aber mir gänd nid uf, ihr werdet z'merke Ich hah überhaupt kei Verwendig für Ruhm und Ehr Ich will doch nume Friede isch denn das so schwer Das isch doch bestimmt keini vo dene Gutnachtgschichte So wie sie's im Schneewittli mit de siebe Zwerge brichte
Kei Ahmut und au kei wildes Tier, nei, nei Es goht immer so wieter, au wenn mir es nit wei Inhaltsverzeichnis
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BEGEGNUNG DER ERSTEN ART
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Nach ziemlich kurzer Suche entdecke ich Dich Und unser beider Augen, sie begegnen sich Es scheint mir, als sagen Deine ohne ein Wort "So ein Zufall, Du bist auch wieder an diesem Ort" Auch meine blauen Augen strahlen und schweigen Und ich weiss genau, sie wollen Dir damit zeigen Es ist kein Zufall, dass ich schon wieder hier bin Nein, diese Sache hat schon einen tieferen Sinn Kannst Du Dir den Anlass, denn gar nicht denken? Ich beginne meine Augen, ganz leicht zu senken Um Dich kurze Zeit später erneut anzuschauen Du kannst, dem was meine Augen sagen, vertrauen Warum falle ich Dir denn eigentlich nicht auf? Glaube mir, ich nehme dafür so einiges in Kauf Aber vielleicht erwartest Du auch noch jemand Doch eines wischt dieser Verdacht von der Hand Du warst auch Gestern hier schon so ganz allein Und deshalb wird es zum Glück auch nicht so sein Ich frage mich, warum beachtest Du mich nur nicht? Du liegst einfach da im grellen, hellen Sonnenlicht Um interessiert in einem recht dicken Buch zu lesen Und ganz genau so, ist es auch gestern schon gewesen Dein Tuch - daneben das Buch mit dem schwarzen Einband Ich lese heimlich den Titel, er ist mir vollkommen unbekannt Und ich gebe zu, ich würde sehr gerne an seiner Stelle liegen Um etwas mehr von Deiner schützenden Nähe abzukriegen Es wäre doch auch irgendwie angenehmer so zu zweit Aber der Weg bis dahin ist leider noch ziemlich weit Wasserperlen tropfen sanft von Deiner braunen Haut Wenn man, genau wie ich, etwas genauer hinschaut Und ohne Zweifel, dies habe ich ganz sicher getan Dies ist etwas, wo sich jeder ganz sicher sein kann
Obwohl uns doch nur einige wenige Meter trennen Lernte ich Dich doch niemals persönlich kennen Kenne nicht einmal von Deiner Stimme den Klang Und so geht es jetzt nun schon eine Ewigkeit lang Nur du weisst überhaupt nichts von meinen Gedanken Ahnungslos wirst Du Dich weiter in der Sonne ranken Ohne dass Du nur die kleinste Spur davon verstehst Du kommst am ganz frühen Nachmittag und Du gehst So war es heute und so wird es wohl auch Morgen sein Du dort drüben und ich hier und beide sind wir allein Nur in meinen Gedanken sind wir halt doch zusammen Hey Du dort, bitte sage mir doch einfach Deinen Namen Inhaltsverzeichnis
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IRGENDWO AUF DER AUTOBAHN
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An einem sonnigen Tag irgendwo auf einer fremden Autobahn Im Sonnenlicht am fernen Horizont - der grell lachende Wahn Bleifuss - ein Hilfloses über den grauen, kalten Asphalt rasen Ausgestreckte Hände bekommen nur, ein Steuerrad zu fassen Und doch scheint es, als würden sie dabei nach Hilfe senden Sonnenstrahlen, die nicht wärmen sondern nur blenden Die Welt scheint noch dunkler durch diese Sonnenbrille Nur das sehr laute PS-Gejammer durchdringt die Stille Ein tonnenschwerer Fuss drückt unaufhaltsam aufs Gas Vor den Sonnenstrahlen schützt das dunkle Plexiglas Oder versteckt die Brille vielleicht nur die lautlosen Tränen Er wird dies von sich aus bestimmt niemals erwähnen Ein innerer Zwang hat ihm die sinnlose Fahrt befohlen Und irgendwie versucht er, sich selbst zu überholen Die Welt fliegt vorbei - unerkannt - in einem Stück Die anderen Fahrzeuge fallen irgendwie weit zurück Während Bodenunebenheiten sein Auto durchrütteln Er bemerkt nicht, wie andere Fahrer den Kopf schütteln Sie verstehen es nicht, aber was wissen denn die? Zwang das Leben, sie noch niemals auf die Knie? Freie Bahn, endlich die weite Strasse ist völlig leer Und so jagt er dem fernen, hellen Horizont hinterher In der Hoffnung, dass sich dort die Lösung versteckt Seine zitternden Hände bis zum Steuerrad ausgestreckt Das ist nicht weit genug, unerreicht bleiben seine Träume Farbige Streifen am Strassenrand, Häuser und auch Bäume Anstatt sich selbst lässt er den kräftigen Automotor aufheulen Er fürchtet sich längst nicht mehr vor hässlichen Beulen Versteinerter und krankhafter Ausdruck in seinem Gesicht Schlimmer als jetzt schon kommt es ganz bestimmt nicht Wie weit muss er auf dieser Autobahn wohl noch rasen Um seine Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen Eine Stimme in ihm sagt: "Reiss Dich doch zusammen" Auf den Strassenschilder stehen viele fremde Namen Er weiss längst nicht mehr, wo er sich genau befindet Sieht wie ein Dorf von vielen hinter ihm verschwindet Und wie immer wieder eine Ortschaft vor ihm auftaucht Er hat schon eine riesige Menge seiner Kraft verbraucht
Da geschieht es, der Motor stottert laut und stockt Das Fahrzeug rupft, zieht genau so, als ob es bockt Die Ursache ist schnell gefunden, der Tank ist leer Und er begreift, den Horizont zu erreichen, ist schwer Inhaltsverzeichnis
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WEI NÜT WÜSSE VO DENE TIGER
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(Idee und Original von Tony Carey)
Ich ha bettelt, und ich ha befohle Ich ha verlehnt, und ich ha gstohle Ha mi unter eme falsche Name tauft Und ich ha mini eigeni Seel verkauft Das alles, um eimal dezu z'göhre z'könne Um sich die besseren Sache im Läbe z'gönne Alles, wo meh ume überchunnt, wene meh gwünnt Ich weiss genau, wie meh uf de Hügel chunnt
Mir sind g'kroche Hei ume gseit, "Jäh Sir" und "Nei Sir" Und mit der Zit händ mir Immer meh vom Geld und Zauber gsproche Ich ha glernt z'lache ganz lut Aber ich ha au glernt zliege Und wie meh ihne unerschrocke i d'Auge luge tut Ich cha alles, nume leider no nit fliege
Mir hei nüt welle wüsse vo dene Tiger Und mir hei träumt vo eus als Sieger Mir verstecke eus vo de meischte Tatsache Aber das chasch doch au nit ewig mache Mir hei nüt welle wüsse vo dene Tiger Hei doch kei Kraft meh für die Tiger
So goht es doch scho ewig zu Aber eines Tages do fragsch Du "Isch das alles wo meh cha bsitze?" Mir hei so viel gseh, eifach verbi flitze Hüser, Autos und Chinder, alles ume e Wisch Und plötzlich gsesch d'Welt, wie sie würkli isch
Mir hei nüt welle wüsse vo dene Tiger Und mir hei träumt vo eus als Sieger Mir verstecke eus vo de meischte Tatsache Aber das chasch doch au nit ewig mache Mir hei nüt welle wüsse vo dene Tiger Hei doch kei Kraft meh für die Tiger
Mir hei nüt welle wüsse vo dene Tiger Hei doch kei Kraft meh für die Tiger Inhaltsverzeichnis
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FÜR LISA (Part V)
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(Am Anfang war der Regenbogen)
Lisa, die nun folgenden Zeilen sind persönlich an Dich gerichtet In mehreren Teilen habe ich über Deine Geschichte berichtet Ich gebe zwar ehrlich zu, es ist ein kläglicher Versuch gewesen Denn es ist doch ziemlich schwierig, so etwas in Worte zu fassen Sei mir bitte nicht böse, dass ich es trotzdem nicht konnte lassen Solltest Du jedoch diese Zeilen irgendwann einmal irgendwo lesen Bin ich mir sicher, Du wirst Dich in diesen Texten wiedererkennen Trotzdem werde ich Dich weiter bei Deinem falschen Namen nennen Ich denke es ist besser so, auch zu Deinem ganz persönlichen Schutz Manche Wahrheit lebt sich leichter, bleibt sie verborgen unter dem Putz Der Regenbogen ist für mich ein Symbol für Hoffnung und Farbenpracht Deine Geschichte war eigentlich alles andere, denn Du hattest es schwer Und dies vergesse ich und natürlich auch Du selbst bestimmt niemals mehr Aber gerade aus diesem Grund wählte ich dieses Symbol, habe ich gedacht Deshalb stand ganz Anfang von meinem Schreiben alleine der Regenbogen Und ich denke, meine besten Ideen dahinter sind bestimmt nicht gelogen Ich habe auch schon oftmals und immer wieder tief in mir drinnen überlegt Wie ich in allen Details aufschreibe Deine Geschichte, die mich so bewegt Was alles dabei heraus kam, dies hältst Du in diesem Moment in der Hand Mir ist natürlich schon bewusst, dass ich nicht immer die richtigen Worte fand Doch ich versuchte einen Mittelweg, in meiner Ausdrucksweise zu erkunden Hintergründe aus meiner Sicht zu formulieren, ohne Dich dabei zu verwunden Ich hoffe so sehr, Lisa, es ist mir für dieses eine Mal auch ein wenig gelungen Und die Worte sind bei Dir nicht irgendwie seltsam und verletzend angeklungen Aus irgendwelchen Gründen musste ich Deine Geschichte einfach aufschreiben Kann ich es mit diesen wenigen Zeilen auch niemals ganz erfassen, Dein Leid Dies ist natürlich die Wahrheit, es ist mir schon bewusst, ich weiss Bescheid Manchmal denke ich dabei sogar, es wäre viel besser, ich liesse es bleiben Weil bin ich in meinem Schreiben nicht ein unwahrscheinlich grosser Narr Wenn ich denke, dass Deine Geschichte für mich als Mann sei erfassbar Die wirkliche Wahrheit, die kennst wahrscheinlich auch nur Du ganz allein Aber ich hoffe sehr und wünsche mir, Du wirst mir deswegen nicht böse sein Dass ich frech versucht habe, Deine Geschichte zu fassen in diesen Zeilen Sonst kannst Du mir gerne Deine Argumente und Kritik offenherzig mitteilen Denn es lag sicher nicht in meiner Absicht, Deinen Regenbogen zu zerstören Weil er wird doch heute und in alle Ewigkeiten, ganz alleine nur Dir gehören
Finde Deinen Weg weit vor den Anfang dieser Geschichte zurück Und ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und auch viel Glück Ich bin mir irgendwie sicher, so wirst Du zum richtigen Ziel gelangen Und Du lernst in Zukunft wieder Locker Intimität Sanft Anzufangen Du darfst nur nicht vergessen, dass keiner die Welt so wie Du sah Und trotzdem bin ich mir ganz sicher, Du schaffst es bestimmt, Lisa Inhaltsverzeichnis
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DEIN BLICK
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Reiste in die Vergangenheit und durch mein Geschick Es war ein wilder Ritt auf einem bunten Regenbogen Bei der Lungenentzündung bin ich links abgebogen Kam um die Ecke, da traf ich wieder auf Deinen Blick Dabei hatte ich ihn schon beinahe wieder vergessen Es war damals im Hochsommer bei einem Morgenessen Du sasst da am Tisch und ich dort am anderen Ende Und als ich meine Augen verstohlen auf Dich wende Ist mein Blick plötzlich in Deinen Augen versunken Und völlig hilflos bin ich auch sofort darin ertrunken In diesem warmen Blick, der überhaupt nichts fragte Und trotzdem unendlich viel, wenn auch wortlos sagte Deine Augen drohten, mich einfach zu durchdringen Und brachten dabei mein Herz unmerklich zum klingen Wir liessen unsere Gefühle in unseren Blicken treiben Plötzlich konnte ich kaum noch ruhig sitzen bleiben Weil in Deinen hellen Augen so ein Versprechen war Und eigentlich war zwischen uns längst schon alles klar Ich brauchte nur noch meine Hände, weit auszustrecken Um eine so viel versprechende Zukunft aufzuwecken Warum nur tue ich es denn nicht - warum - weswegen? Ich grosser Narr begann, wieder einmal zu überlegen Nur aus Kollegschaft behielt ich meine Hände bei mir Trotzdem war ich in Gedanken dort alleine - bei Dir Obwohl Deine Blicke die grosse Distanz überwanden Und den so kurzen Weg in mein hilfloses Herz fanden Der gemeinsamen Zukunft wäre nichts im Weg gestanden Aber Du hast mein Verhalten bestimmt nie verstanden Warum ich meine zitternden Hände nicht ausstreckte Und mich hinter meiner Ahnungslosigkeit versteckte Dein Blick, er ging durch meine Haut und Knochen Ich hätte sicher gestottert, hätte ich jetzt gesprochen Was mir blieb war dieser Blick so hell und so klar Mit einem Gefühl, das trotzdem so schrecklich war Ich wusste, dass dieser Blick alleine mir gehörte Meine Hände schwitzten, weil er mich so betörte
Dieser Blick, er traf mich im Herzen ganz tief Aber ich war schuld, dass es nicht anders lief Weil ich nach Dir nicht ausstreckte meine Hand Manchmal hasse ich abgrundtief meinen Verstand Und meine kläglichen Versuche richtig zu handeln Anstatt meine Gefühle auch in Glück umzuwandeln Inhaltsverzeichnis
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MEIN LAND
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Ich weiss noch genau, als einst alles anfing Verstand zwar nicht, was in mir vorging Aber ich begriff, wie sehr es einem trifft Und so griff ich zum Papier und zum Bleistift Es entstand "ZEITLOSE GEDANKEN ZUM LEBEN" Diesen Titel habe ich ihm spontan gegeben Dieser bunten Ansammlung von Geschichten Hilflos geformt zu kümmerlichen Gedichten Manchmal hielt ich sie nachts in der Hand Denn ich wusste dabei, dies war mein Land Aber ihr habt darin nur Euch selbst gesucht Sagt, warum habt ihr nur diese grosse Furcht? Aber ich habe es als meinen Fehler anerkannt Ich schrieb weiter, habe es "PUZZLE" genannt Wollte mich beschreiben und Euch alles erklären Ich versuchte, Euch einen Einblick zu gewähren Meine Gedichte wurden bestimmt nicht "wahrer" Aber etwas deutlicher und sicher auch fassbarer Und manchmal hielt ich sie nachts in der Hand Denn ich wusste dabei, dies war mein Land Ihr habt es nicht verstanden, Ihr habt gelacht Warum nur bin ich so furchtbar spät erwacht? Gibt es dafür einen besseren Ausdruck in Worten Als den Titel "SCHNAPPSCHÜSSE EINES IDIOTEN" Immer noch wollte ich nicht so einfach aufgeben Aber ich stand ziemlich hilflos und ratlos daneben Wie leichtsinnig alle mit meinen Gefühlen umgehen Schade, konnte es denn niemand richtig verstehen? Sie steht doch allzu deutlich da, meine ganze Wahrheit Doch leider hattet Ihr wahrscheinlich gerade keine Zeit Manchmal hielt ich meine Gedichte nachts in der Hand Denn ich wusste doch genau, dies war mein Land Wie schnell Vertrauen einfach zerbricht Warum nur wusste ich dies denn nicht? "MIT MEINEN AUGEN" wollte ich mitteilen Zwar im versteckten zwischen den Zeilen Wiederum nur das Eine, nämlich mich Die Wahrheit interessierte Euch wieder nicht Ausdrücke drangen an mein empfindliches Ohr Die mir deutlich zeigten, dass ich wieder verlor Jetzt hält irgendjemand "BLUTSPUREN" in der Hand Und ich verrate wieder ein Stück von meinem Land Aber verstehen, wird mich auch diesmal niemand Ich habe es, wohl schon wieder viel zu spät erkannt Sie werden Dir weh tun, sagte sie, und verschwand Ich ging in die Welt hinaus und ich verstand Inhaltsverzeichnis
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DIE GESCHICHTE VON DEN BIENEN UND DEN BLUMEN
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In der Luft ist wieder ein süsses und verlockendes Summen Du kennst ja die Geschichte von den Bienen und den Blumen Man sieht sich, kommt sich näher und man lernt sich so kennen Du kennst es doch, was brauche ich da, noch mehr zu erwähnen Die Blume, sie lockt routiniert mit ihrer grellen Farbenpracht Und die dumme Biene lässt sich nicht lange bitten und lacht Sehr bald schon liegt etwas bekanntes Seltsames in der Luft Alle sind sich sicher, es ist mehr als der süsse Blumenduft Man lernte es ja auch schon kennen, es ist allen bekannt Aber wieso ist dabei immer einer so fürchterlich dominant? Es ist schon seltsam, dass immer die Blume schutzlos dasteht Während die Biene summend, unaufhaltsam kommt und geht Die Blume ausgesetzt dem Regen, den Winden und den Sonnen Ich frage mich, hat dabei schon irgendwer einmal gewonnen? Doch danach fragt niemand, die Blume sie lacht und sie flucht Und sie hofft, dass eine Biene sie besucht oder nicht besucht Die Blume hat alle ihre Wünsche und Hoffnungen in der Stille Denn es geschieht auch heute wieder alles nach der Biene Wille Wunderbare Blüten ständig den Launen des Schicksals ausgesetzt Immer an demselben verhassten Ort und von Alpträumen gehetzt Und irgendwann wird sie gepflückt, von einem Frevler abgerissen Nur wann und wo, wieder einmal wird es überhaupt niemand wissen Die Biene kommt und die Biene - sie geht, weil sie hat die Macht Die Blume passiv lockt mit einer verheissungsvollen Farbenpracht Die beiden bekannten Rollen sind bereits seit Urzeiten festgelegt Ganz egal, wie sich der Südwind in den Blättern auch immer regt Die wunderbaren Blüten sind weit offen, hoffend und zu allem bereit Denn es bleibt Ihnen allen nur eine sehr kurze und beschränkte Zeit Nur von zu Zeit zu Zeit da vergisst die Blume leider, wie man lacht Und sie verliert von einem Moment auf den anderen ihre Farbenpracht
Dies alles nur weil in dieser Welt zu wenig Schmetterlinge fliegen Und deshalb können auch nicht alle ein bisschen davon abkriegen Weil trifft ein Schmetterling auf eine Blüte, so kann es sich ergeben Dass eine hübsche Blume mit ihrer verlockenden Blüte ewig wird leben Und trotz Veränderungen bleibt die Beziehung in alle Ewigkeiten bestehen Ich weiss es ganz genau, denn ich habe es schliesslich schon gesehen
Nur leider gibt es in dieser weiten Welt viel zu viele Bienen Und die sorgen mit ihren spitzen Stacheln für traurige Mienen Wer weiss schon, ist vielleicht er eine Biene, sie eine Blume? Oder war es doch umgekehrt, war es ein Summen oder ein Brummen? Sage mir, wie war sie doch noch gleich diese uralte Geschichte? Und gab es da nicht auch noch einer, der ist da, dass er richte? Inhaltsverzeichnis
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LOSLASSEN
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Wenn Du heute Abend Deine hübschen, braunen Augen schliesst Und jeder Deiner Gedanken nur durch die Vergangenheit fliesst Dann sei doch nicht traurig, weil es macht überhaupt keinen Sinn Weil es ist nun einmal so, die Zeit, sie fliesst unaufhaltsam dahin Wenn wir zusammen reden, fühle ich, dass es nicht wie früher ist Und dass irgendetwas Unsichtbares an unseren Seelen frisst Irgendwie fehlt bei unseren Zusammenkünften die Vertrautheit Vorbei sind diese wunderbaren Tage in unserer Vergangenheit Als noch jedes Mal ein Kribbeln tief in unseren Herzen hochkam Als ich Dich ohne einen bestimmten Grund in meinen Arm nahm Es ist zwar überhaupt nicht so, dass wir uns nicht mehr anfassen Aber dies ist wahrscheinlich nur unser Weg, um uns loszulassen Wir sind noch so oft wie früher oder sogar noch mehr zusammen Auch noch Zärtlichkeiten müssen wir nicht sehr lange kramen Doch als sich unsere Lippen heute am frühen Morgen küssten War es nicht mehr wie einst, als wir uns noch zärtlich begrüssten Wir gehen den vertrauten Weg dem Bach entlang, Hand in Hand Aber zwischen uns herrscht dabei einen unsichtbaren Abstand Ich halte plötzlich inne und nehme Dich zärtlich in meinen Arm Doch ich spüre dabei deutlich, Du gibst mir nicht mehr so warm Dies alles ist nur unser gemeinsamer Weg, um uns gehen zulassen Noch lassen wir keine einzige Gelegenheit aus, um uns anzufassen Es sind hilflose Versuche, was wir früher hatten, noch festzuhalten Ich fühle, es sind nicht unsere Gefühle, die daneben erkalten Nur was es ganz genau ist, dass weiss ich leider auch nicht Warum ist es nur immer das Schönste, was die Zeit zerbricht? Dies ist für uns Beide, wahrscheinlich sehr schwer zu verstehen Schade, dass wir - in uns - nicht mehr dasselbe wie einst sehen Wir sind genau dieselben Menschen sowie doch schon früher Nah ja, ehrlich gesagt wahrscheinlich wirklich nur ein wenig kühler Und wir beginnen, unsere eigenen Meinungen etwas zu überholen Wer hat denn eigentlich unsere hübschen rosa Brillen gestohlen? Auch gestern im Bett, da hörten wir nicht auf, uns anzufassen Auf der hilflosen Suche nach einem Weg uns nicht loszulassen Denn immer noch steht der Wunsch unsichtbar, unbemerkt im Raum Nur ich träume schon längst nicht mehr diesen aufgeregten Traum Wenn Du heute Abend Deine hübschen, braunen Augen schliesst Und jeder Deiner Gedanken nur durch die Vergangenheit fliesst Dann sei doch nicht traurig, weil es macht überhaupt keinen Sinn Weil es ist nun einmal so, die Zeit, sie fliesst unaufhaltsam dahin Es scheint so, als sei es längst schon zu spät Und wir sind hilflose Opfer der Alltagsrealität Schade, ist davon so wenig übriggeblieben Aber selbst wenn wir uns jetzt auch loslassen Auf seltsame Weise werde ich Dich immer lieben Ich kann es nur noch nicht richtig in Worte fassen Inhaltsverzeichnis
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TÄTER UND OPFER
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Ich hasse diese sehr hässlichen bläulichen Flecken Die nur noch ein elegantes Make-up kann verstecken Mir gefallen auch nicht die blutunterlaufenen Striemen Welche Deinen völlig unschuldigen Rücken ziemen An die Gewalt als Lösung glaube ich bestimmt nicht Weil sie bringt zu viel verborgenes Leid an das Licht
Gestern, Ich gab ihm nur ganz widerwillig meine Hand Weil ich wusste, wie viel Gewalt sich mit ihm verband Seine Hand fühlte sich weich an, klein - beinahe fein Konnte diese Hand, denn wirklich so gewalttätig sein Er stotterte nur: "ich habe es bestimmt nicht gewollt" Ich wusste plötzlich nicht mehr, was ich sagen soll Wer hat mir eigentlich mein Bild vom Täter geklaut? Ich habe ihm tief und fest in seine Augen geschaut Ohne dass ich dabei etwas Bestimmtes hätte bezweckt Aber ich habe dabei überrascht einige Tränen entdeckt Ich dachte immer, ich wüsste darüber längst Bescheid Und hatte natürlich immer nur mit den Opfern Mitleid Er - er war der Täter und er hat es nicht verneint Doch jetzt steht hier dieser Kerl vor mir und weint Und schluchzt leise vor sich hin: "Ich liebe sie doch Nur von Zeit zu Zeit falle ich in ein sehr tiefes Loch Dann weiss ich einfach nicht mehr recht, was ich tue Ich wünschte mir sehr, ich liesse sie endlich in Ruhe“
Alles hatte ich erwartet, nur nicht, dass er so vor mir zerbricht Hatte plötzlich das Verlangen, ihn zu trösten, aber ich konnte nicht Blieb völlig sprachlos und wie angewurzelt an meinem Platz stehen Denn vor drei Stunden hatte ich noch ihre blutenden Wunden gesehen Hatte, beim Versuch sie zu trösten, ihre Tränen auf meiner Haut gefühlt Aber jetzt ist meine riesengrosse Wut trotzdem schon etwas abgekühlt Habe das Gefühl, ich kann diesen Kerl hier vor mir nicht mehr hassen Doch auf der anderen Seite konnte ich es auch noch nicht ganz lassen
Sie kam zu mir, um ihr schreckliches Leid zu klagen Aber was soll ich ihr jetzt von diesem Gespräch sagen Wie ich es ihr versprach, habe ich mit ihm gesprochen Doch jetzt wäre ich am liebsten in den Boden gekrochen Vor mir hatte ich gegensätzliche Pole und beide weinten Und sich trotz allem gerne von neuem liebend vereinten Nur darf ich diese stumme Übereinkunft weiter zulassen Ich versuche krampfhaft, nach einer Lösung zu fassen Nur ich fürchte doch sehr, es gibt sie überhaupt nicht Denn schon zu oft wiederholte sich jetzt diese Gewalt Muss ich wirklich der Polizist sein, der zu euch sagt: "Halt" Inhaltsverzeichnis
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ADLERHORST
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(Der Segen liegt im Unerreichbaren)
Als kleiner Junge sass ich oft auf einem hölzernen Zaun Um hinauf in den rötlich gefärbten Himmel zu schau'n Und dort sah ich ihn dann auch zum ersten Mal fliegen Ich wusste, ich werde seine Heimat einmal zu sehen kriegen Aber ich wusste auch, der Weg war schrecklich weit zu Fuss Auch später war ich noch oft dort unten an "meinem" Fluss Sass oft stundenlang regungslos auf dem alten Lattenzaun Um da still bewundernd, zum hohen Berg hinaufzuschau'n Ich beobachtete Tag für Tag, den Adler am Himmel kreisen Und ich liess mir dabei von meinem Traum den Weg weisen Wohin "mein" Adler in Zukunft auch immer wird fliegen Ich wusste, eines Tages werde ich es zu sehen kriegen Und dann, eines Tages war es endlich soweit, ich zog los Nur meine Schuhe waren mir dabei eigentlich viel zu gross Ich begann einfach nur, diesen unzähligen Spuren zu folgen Welche sich deutlich in grosser Zahl zu diesem Berg hinzogen Manchmal konnte ich ganz weit vor mir sogar Menschen sehen Sie schienen alle, den genau gleichen Weg wie ich zu gehen Nur von Zeit zu Zeit zögerte ich und sah ihm zu, beim Fliegen Ich war mir sicher eines Tages, werde ich es zu sehen kriegen Dieser starke Wunsch in mir zog mich immer weiter unweigerlich Der schmale Weg wurde langsam steiler und auch beschwerlich Von Zeit zu Zeit lösten sich kleine Steine unter meinem Fuss Und kollerten dann geräuschvoll hinunter zu "meinem" Fluss Dort weit unten, wo in der Vergangenheit einst alles begann Doch ich schaute nicht hinunter, ich schaute weiter bergan Wurde mein Tritt auch müde und langsamer - der Atem schwer Und manchmal glaubte ich dann sogar, ich könne nicht mehr Aber dann schaute ich hinauf und bewunderte ihn beim Fliegen War mir sicher, ich werde ihn eines Tages zu sehen kriegen So quälte ich mich von Schritt zu Schritt - immer nur weiter Den steilen Berghang hinauf und das alles ohne eine Leiter Steine lösten sich und ich hörte dumpf den Aufprall verhallen Irgendwann später bin ich dann leider trotzdem hingefallen Und es war sehr schwer für mich, in dieser Situation einzusehen Das die Zeit jetzt kommt, wo ich niemals mehr werde aufstehen Doch bevor ich meine Augen in dem Moment für immer schloss War es ein letzter Blick, den ich auch diesmal wieder genoss Ich blickte zum Himmel und ich sah ihn dort weit oben fliegen Und ich wusste, ich werde seine Heimat nie zu sehen kriegen Inhaltsverzeichnis
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FÜR IMMER KIND
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Nein - Nein, ich habe es bestimmt noch nicht vergessen In der Schule sind sie damals nebeneinander gesessen Zwei Kinder, welche jede Menge Schwachsinn machten Und sich dabei beinahe Seele aus dem Leibe lachten Manchmal haben sie sich natürlich auch heftig gestritten Miteinander oder auch zusammen gegen einen Dritten Doch meistens haben sie sich nur zum Spass geneckt Die Pubertät hat dann auch andere Dinge aufgeweckt Mädchen erschienen plötzlich in einem ganz anderen Licht Verwundert, denn sie kannten dies alles bis jetzt noch nicht Und so sind sie zusammen diesen Mädchen nachgestiegen Nur über die wirklichen Gefühle haben sie weiter geschwiegen Der erste Kuss, eine kleine Hand voll von wahren Geheimnissen Wahrheiten von denen heute nur zwei Personen noch wissen So erlebten sie die Realität und auch das, was sie dazu erfanden Nur die eigenen Schwächen haben sie sich nicht eingestanden Denn die oberflächlichen Sprüche klangen besser in ihren Ohren Einige Jahre später haben sie sich dann aus den Augen verloren Man lernte wieder neue Menschen auf dem Lebensweg kennen Weil geographische Distanzen können jede Freundschaft trennen
Regen prasselte stundenlang auf ein fremdes Dach In einem kühlen Oktober, nur wenige Jahre danach Irgendwo in einem dunklen Keller kalt und nass Dasselbe Kind, die Gesichtsfarbe bleich und blass Die blauen Augen unnatürlich weit aufgerissen Die graue, feuchte Wand ein hartes Ruhekissen Eine Nadel steckte im entblössten rechten Arm Der Körper verkrampft und längst nicht mehr warm Das Ende von Einem einst fröhlichen Kinderlachen Und für diese Welt ein schreckliches Erwachen
Das Grab ist schon lange verschlossen Und die Tränen sind in Mengen geflossen Heute bleibt nur noch die Erinnerung allein Trotzdem es wird bestimmt kein Zufall sein Dass das andere Kind an seinem Grab steht Und dies alles immer noch nicht versteht Wenn es auch das Eine ganz genau weiss So wie es war, so wird es sicher niemals mehr Und ein Platz - Dein Platz bleibt für immer leer Und so schliesst sich nun auch dieser Kreis
Zwei Kinder, die für immer "Kind" sind geblieben Und doch haben ihre Leben andere Wege beschrieben Inhaltsverzeichnis
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FLUG 3745 ZÜRICH - HELSINKI
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Warum und wieso? In meinem Gesicht stehen diese Fragen Eigentlich, da hätte ich Dir doch noch so vieles zu sagen Und trotzdem habe ich das Gefühl in mir, es ist alles gesagt Mit keinem einzigen Wort habe ich diesen Abschied beklagt Ich freue mich wirklich für Dich, aber ich bin trotzdem traurig Und in diesem Moment erscheint mir meine Zukunft schaurig Warum immer alles, was so greifbar nahe ist, verschwindet? Wieso man in diesen Momenten nie die richtigen Worte findet? Höre leise Deine Stimme: "Ich muss jetzt gehen, es wird Zeit" Ich sage leise, „okay“, und bin dazu überhaupt noch nicht bereit Ein schwaches Lebewohl und ein Lächeln, um uns aufzubauen Aber es sind sehr traurige Augen, die Dir stumm nachschauen Du weisst, ich komme morgen früh sicher nicht zum Flughafen Ich bin nicht stark genug, um dies auch noch zu schaffen Habe Dir ja gesagt, dass ich viel lieber zu Hause bliebe Weil ich grosse und rührselige Abschiedszenen nicht liebe Du hast mich darauf hin nur stumm und wortlos angeblickt Und dazu ruhig und kaum sichtbar verständnisvoll genickt
In der Zukunft: Keine Anrufe und keinen einzigen Brief Wir wissen Beide, viel zu viel läuft doch dabei schief
Wird es Dir nicht gut gehen, ich will es nicht wissen Ich hätte dabei doch nur ein sehr schlechtes Gewissen Und ich bin mir sicher, es würde mir doch nur wehtun Deine Schmerzen, sie liessen mich doch nicht ruh'n Und auch wenn Du dort alles würdest Klasse finden Ich würde trotzdem traurig im Zimmer verschwinden Weil ich müsste mich dann eigentlich heimlich fragen "Hast Du diesen Abschied, wirklich so leicht ertragen? Bin ich Dir denn tatsächlich so unwichtig gewesen?" Deshalb möchte ich lieber gar nichts von Dir lesen Es würde immer die Spur eines unguten Gefühls bleiben Deshalb ist es besser, wenn wir uns nicht mehr schreiben Ich denke an Gestern, Vorgestern aber nur das Morgen Das liegt mir auf dem Magen und macht mir Sorgen Denn was mir bleibt, ist doch nur noch der Schmerz Warum lässt Du es so alleine mein verliebtes Herz Das leider zu langsam die Vergangenheit vergisst Ich weiss, dass die Reise für Dich das Allerbeste ist Wünsche Dir für die Zukunft auch wirklich alles Gute Und dass Du es anpackst mit frohem Herzen und Mute Ich weiss, Du lässt mich nicht gerne in Trauer zurück Aber ich gönne Dir von Herzen Dein zukünftiges Glück Auch wenn es mich noch schmerzt das nächste Stück Inhaltsverzeichnis
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DANIEL
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Ein dunkler Raum, Finsternis, überhaupt kein Mondschein In einem grossen Bett liegt ein kleiner Junge ganz allein Er hält die Augen schon beinahe verkrampft verschlossen Müde, denn er hat den ganzen letzten Tag sehr genossen Und trotzdem wirft er sich ganz unruhig im Bett hin und her Stösst die Luft durch die Zähne regelmässig und doch schwer Und er redet ganz leise und stöhnt dabei im Halbschlaf Ein nicht mehr ganz so kleiner Junge sonst ziemlich brav Aber nachts im Schlaf, da wirft er sich unruhig hin und her Und sein Atem geht fast gepresst, unruhig und sehr schwer Er schläft ein, bis er nur kurze Zeit später wieder erwacht Einschlafen, um wieder aufzuwachen und das die ganze Nacht Die Wortfetzen, die er dabei redet, kann keiner verstehen Es sind starre Augen, die in die leere Nacht hinaussehen
Daniel - keine Angst die Monster - sie kriegen Dich nicht Schaue doch nur, in Deinem Zimmer brennt noch immer Licht Und wir lassen es einfach während der ganzen Nacht brennen Schaue doch nur, wie die kleinen Monster schon davonrennen Daniel - höre auf zu schreien - es ist doch nur ein böser Traum Schaue doch nur, Du bist ganz allein in diesem grossen Raum
Bleich und blass Daniels kleines Lausbubengesicht Heute Nachmittag hat er noch gelacht im Sonnenlicht Doch sobald in der Finsternis der helle Mond erwacht Übernimmt über Daniel die Angst ihre schreckliche Macht Graue Bilder, die einen verängstigten Jungen einholen Wer hat ihnen eigentlich, hier herzukommen, befohlen? Kommt, lasst ihn doch endlich auch in der Nacht allein Er hat es nicht verdient, er ist noch so hilflos und klein Hört endlich auf seine Worte, auf sein nächtliches Bitten Denn er hat doch wirklich schon längst genug gelitten
Daniel - keine Angst die Monster - sie kriegen Dich nicht Schaue doch nur, in Deinem Zimmer brennt noch immer Licht Und wir lassen es einfach während der ganzen Nacht brennen Schaue doch nur, wie die kleinen Monster schon davonrennen Daniel - höre auf zu schreien - es ist doch nur ein böser Traum Schaue doch nur, Du bist ganz allein in diesem grossen Raum
Manchmal habe ich die fürchterlichen Monster auch gesehen Und ich weiss genau, so einfach werden sie nicht gehen Aber es ist nur ein Traum - nur ein Traum - nur ein Traum? Weil da ist etwas, wenn auch unsichtbar in diesem Raum Inhaltsverzeichnis
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